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So soll das Stadtschloss einmal aussehen, wenn das Humboldt-Forum und mit ihm die Museen einziehen. Welches Profil das Haus haben wird, ist dagegen noch nicht bis ins letzte Detail bestimmt.

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Humboldt-Forum: Expeditionen in die Zukunft

2012 beginnen die Bauarbeiten für das Stadtschloss, ab 2019 soll darin das Humboldt-Forum seine Türen öffnen. Andere Städte haben bereits globalisierte Museen. Taugen sie als Rollenmodelle für Berlin?

Die Musterfassade steht, das erste echte Schmuckelement, ein preußisches Wappenschild aus Sandstein, wurde angeliefert. Im März beginnen die Vorbereitungen für die Baustelle, das Erdreich muss verdichtet und erste Fundamente gegossen werden. 21 Millionen Euro hat der Bund der Stiftung Berliner Schloss dafür noch kurz vor Weihnachten zugesichert. Ingesamt soll der Neubau des Stadtschlosses für das Humboldt-Forum 590 Millionen Euro kosten.

Im kommenden Jahr beginnen das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst, die zukünftigen Nutzer des Humboldt-Forums, in Dahlem eine Probephase und experimentieren im Rahmen kleiner Ausstellungsprojekte mit Konzepten für das neue Haus. Finanziert werden diese sogenannten „Humboldt-Labore“ mit 4,1 Millionen Euro von der Kulturstiftung des Bundes. Die Idee dazu hatte Martin Heller, der von Kulturstaatsminister Bernd Neumann mit der Entwicklung der Agora betraut wurde. Die Agora ist das öffentlich zugängliche Erdgeschoss des Humboldt-Forums und soll den völkerkundlichen Sammlungen eine aktuelle Perspektive auf die Welt verpassen. In zwei Ausstellungsräumen ist Platz für Sonderschauen, als Erweiterung der Sammlungsgeschosse. Hier sollen alltägliche, universelle Themen wie Glauben, Essen, Schenken oder Strafen behandelt und kulturelle Vergleiche gezogen werden. Das Auditorium, das 600 Besucher fasst, ist als Ort für Debatten vorgesehen, für Symposien und Wissenschaftsplattformen. Das Kino könnte unterschiedliche Veranstaltungen im Haus mit einem eigenen Filmprogramm begleiten, angedacht ist aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Veranstaltern der Stadt. So schlägt Heller vor, die Berlinale mit ihrer Sektion „Forum“ hier einziehen zu lassen.

Im Schlüterhof, der großen Freifläche, soll es ähnlich wie im Wiener Museumsquartier eine Mischung aus Gastronomie und Veranstaltungen geben. Noch klingt das alles recht vage, „aber konkrete Veranstaltungsplanungen machen auch noch keinen Sinn“, sagte Martin Heller, als er seine Vorschläge jüngst dem Kulturausschuss des Bundestages präsentierte.

Anfang 2013 ist die offizielle Grundsteinlegung für das Schloss geplant, 2018 soll es fertig sein, ein Jahr später könnte das Humboldt-Forum eröffnen. Es wäre dann nicht das erste, sondern eines von vielen völkerkundlichen Häusern, die ihren Blickwinkel auf die Kulturen der Welt in Zeiten der Globalisierung verändert haben. Das Leipziger Grassi Museum hat seine Dauerausstellung „Rundgänge in der Welt“ komplett neu konzipiert, erstmals seit 100 Jahren in der Geschichte des Museums für Völkerkunde kann der Besucher durch alle Teile der Erde spazieren. Weitere Beispiele, vielleicht auch Vorbilder, Konkurrenz und Anregung für das Humboldt-Forum haben wir auf dieser Seite zusammengestellt.

Linden-Museum in Stuttgart: Das Kollektivgedächtnis der Menschheit

Von Oliver Heilwagen

Zum 100-jährigen Bestehen packt das Linden-Museum die ganze Menschheit in eine einzige Ausstellung. Mit einem „Blick über den Tellerrand“ will es andere „Weltsichten“ lehren. Anhand von 400 Exponaten wird verglichen, wie völlig verschiedene Kulturen die conditio humana bewältigen. Soll man Artefakte als autonome Kunstwerke präsentieren oder in den Kontext einbetten, in dem sie entstanden? Im ewigen Streit der Ethnologen vermittelt die Jubiläumsschau (noch bis 8. 1.) beide Standpunkte. Sie unterlässt die übliche Unterteilung in Kulturkreise und hebt den ästhetischen Eigenwert der Werke hervor: Schönheit entsteht aus der Bindung an einen spezifischen Zweck.

Als grandioser Auftakt werden drei Dutzend spektakuläre Stücke der 160 000 Objekte umfassenden Kollektion, einem der größten Bestände in Europa, präsentiert. Darunter eine fünf Meter hohe Giebelmalerei aus Papua-Neuguinea; Geistwesen mit riesigen roten Augen wirken wie Südsee-Expressionismus. Das kontrastiert mit Filigranem, etwa einem osmanischen Kastanienblatt, dessen Kalligrafie aus der Biomasse herausgelöst wurde. Dabei werden ungeahnte Parallelen sichtbar: Eine Tanzmaske aus Kamerun trägt ebenso Segelohren wie ihr Gegenstück vom Amazonas.

Solche Analogien über alle Grenzen von Raum und Zeit hinweg finden sich zuhauf. Insignien der Macht werden stets verschwenderisch geschmückt. Kleidung von Würdenträgern kann gar nicht kostbar genug sein – golddurchwirkt, komplett bestickt oder aufwändig gemustert. Korrektive dieser Selbstdarstellung treten dagegen unscheinbarer auf. Schlichte Trinkgefäße stehen für afrikanische Geheimbünde, die den König kontrollierten und notfalls legal töten durften.

Schwunghafter Handel ist das Band, das alle Erdteile zusammenhält: Bereits im 19. Jahrhundert wurden angeblich authentische Zeugnisse ferner Völker als Souvenirs für Kolonisten angefertigt. Dass in der Globalisierung Exotik zur Folklore mutiert, verschweigt die Schau nicht. Doch führt sie vor, wie Traditionspflege den Reichtum bewahren hilft, der das Kollektivgedächtnis der Menschheit ausmacht. Dabei genügt der westliche Kunstbetrieb nur selten seinem Anspruch, Experimentierfeld und Inspirationsquelle für alternative Lebensweisen zu sein – hier wird es augenfällig vorgeführt.

Damit nimmt das Linden-Museum nach dem Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln als zweites Völkerkundehaus in Deutschland die gleichrangige Beachtung aller Kulturen ernst. Die Stuttgarter Jubiläumsschau taugt zum Vorbild für das geplante Humboldt-Forum in Berlin: für eine neue Sicht auf die Welt.

www.lindenmuseum.deMusée du Quai Branly in Paris: Schauhaus der Multikulturalität

Von Nicola Kuhn

Als das Quai Branly – wie das fusionierte Musée national des arts d’Afrique et d’Océanie und Musée de l’Homme kurz und knapp nach seiner neuen Adresse genannt wird – vor fünf Jahren mit einem fulminanten Neubau am linken Seine-Ufer eröffnet wurde, war es damals die museolgische Großtat schlechthin. Mit diesem grand projet gedachte Jacques Chirac in die Geschichtsbücher einzugehen. Es wird gelingen, denn das Museum der Künste und Zivilisationen, wie es seitdem offiziell heißt, ist der neue Louvre. Hier werden Artefakte überseeischer Kulturen nicht länger als Studienobjekte in künstlichen Panoramalandschaften präsentiert, sondern als Meisterwerke zelebriert, die es mit einer Mona Lisa aufnehmen können.

Der Besucher fühlt sich auf eine dramaturgische Reise zu den verschiedenen Erdteilen mitgenommen. Nachdem er den Kunstdschungel durchlaufen hat, in dem der gläserne, 40 000 Quadratmeter große Bau Jean Nouvels auf Stelzen steht, führt ihn im Innern eine weiße Rampe und schließlich ein mit Leder ausgeschlagener Kanal in die verschiedenen Geschosse, die in schummriges Halbdunkel getaucht sind. Der eigentliche Auftritt aber gehört den Skulpturen, Masken, Fetischen, die strahlend hell in frei stehenden Vitrinen präsentiert sind oder in kleinen, ausscherenden Kammern ihre eigenen Welten eröffnen.

Im Quai Branly wird nicht nur höchst effektvoll eine Auswahl der überwältigenden Schätze aus Afrika, Asien, Ozeanien und Amerika vorgeführt, insgesamt 300 000 Objekte, hier legt sich Frankreich zugleich Rechenschaft über seine eigene Vergangenheit als Kolonialherr ab. Was Picasso, Matisse, Giacometti einst für ihre Kunst amalgamierten, wird nun als eigene Kulturleistung gewürdigt, zumal viele Nachfahren aus den ehemaligen französischen Kolonien heute im Lande leben und hier einen Ort der Erinnerung suchen. Ähnlich wie im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum der Besucher im Entree auf einer Videowand von Menschen aller Hautfarben in deren Landessprache begrüßt, am Ende aber mit einem Tschüs verabschiedet wird, weil sie alle in Köln leben, versteht sich auch das Quai Branly als Schauhaus der Multikulturalität. Nicola Kuhn

www.quaibranly.fr

National Museum of the American Indian: Ein stolzes Haus, ein architektonisches Meisterstück

Von Rüdiger Schaper

Die Location ist schon ein starkes politisches Statement. Zwischen dem National Air and Space Museum und dem Kapitol liegt das Nationalmuseum für indianische Kultur. Es gehört zum Smithsonian-Komplex, wie all die anderen Häuser auf der National Mall, es ist hier der Youngster, im Jahr 2004 eröffnet. Die Architektur wirkt erhebend. Die Außenhaut aus Natursandstein trägt majestätische Natur mitten in die Hauptstadt hinein. Die indianischen Baumeister haben die sanften, ausladenden Kurven der cliff dwellings aus dem Südwesten der USA nachvollzogen. Selten steht man vor einem Gebäude, das so spürbar atmet und eine solche verführerische Anziehungskraft entfaltet.

Die Sammlung umfasst 800 000 Objekte, wobei eine andere Zahl noch eindrucksvoller ist: An die tausend indianische Völker und Kulturen sind hier angesprochen, von Südamerika bis nach Alaska, einen Zeitraum von 10 000 Jahren umfassend. Den „Indianer“ oder „die Indianer“ gibt es also nicht. Die Ausstellung trennt nicht zwischen Alltag, Politik, Soziologie und Geschichte, die indianischen Kulturen werden ganzheitlich aufgefasst. Und trotz der riesigen Sammlungsschätze stehen hier die temporären Ausstellungen im Vordergrund – wie derzeit „A Song for the Horse Nation“, wo es um die Beziehung der Indianervölker zum Pferd geht, oder „Conversations with the Earth“, wo sich die Kuratoren mit dem Klimawandel und der indianischen Tradition beschäftigen.

Das Innenleben des fünfstöckigen Gebäudes erinnert ein wenig an das Guggenheim in New York mit seinen Serpentinen. Vor allem aber ist dieses Museum ein Haus für Veranstaltungen, eine gewaltige Bühne. Mitte Januar findet hier ein „Storytelling Festival“ statt, es gibt regelmäßig Musik- und Tanzaufführungen. Als offenes, einladendes Haus erfüllt es jene Erwartungen, die man dereinst an die Agora im Berliner Humboldt-Forum stellen wird. Entscheidend ist die Harmonie von Architektur und Funktion, äußerer Erscheinung, Bestimmung und Nutzung: Sie sind nicht voneinander zu trennen, ganz anders als beim Humboldt-Forum, wo ein globales Konzept hinter eine imitierte Barockfassade gepresst wird.

Großzügig hat man auch den Museumsshop (mit einer hervorragenden Literaturauswahl und zeitgenössischen Artefakten) und das Restaurant geplant. Und erst wenn man das Museum besucht und erwandert hat, wenn man wieder ins Freie tritt, begreift man, dass auch die Umgebung mitspielt – eine grüne Lunge, eine Verbeugung vor der grandiosen Landschaft Nordamerikas, mit Felsen, Wiesen, Feldern, hohen Bäumen und Büschen. Ein Traum – wäre die Geschichte der Indianer Nordamerikas nicht derart von Verfolgung, Demütigung und Auslöschung durch die Siedler geprägt. Ein Denkmal, ein stolzes Haus.

www.nmai.si.edu

National Museum of Scotland in Edinburgh: Kuriositätenkabinett der Entdecker

Von Anna Pataczek

Edinburghs gelegen, dienen als kulturelle Selbstbestätigung einer Entdeckernation. Das lässt sich nicht auf Berlin übertragen. Doch kann man von der Institution, 1866 als Industriemuseum gegründet, lernen. Auch hier kommen verschiedene Sammlungen unter einem Dach zusammen, von den Naturwissenschaften bis zur Kulturgeschichte und Ethnologie.

Im Sommer 2011 wurde das viktorianische Gebäude mit neuem Konzept wiedereröffnet: als Universalmuseum. Seitdem kamen eine Million Besucher. In der Eingangshalle empfängt ein über drei Stockwerke hoher Setzkasten die Besucher. In den Fächern dieses „Window on the World“ hängen nebeneinander verzierte Walkieferknochen, historische Motorräder und persische Waffen. Ein Kuriositätenkabinett im besten Sinne, das zum Staunen einlädt. In der ethnologischen Abteilung etwa wird nicht nach Kulturkreisen, sondern nach übergreifenden Alltagsthemen sortiert. Zum Beispiel: Welche Traditionen gibt es rund um Geburt und Tod in Asien, Afrika, Ozeanien und in der arabischen Welt? Jede Keramik, jede Zeremonienmaske, jedes Musikinstrument ist mehr als nur exotisches Kunsthandwerk, alle Objekte erzählen Geschichten. Das Ausstellungsdesign besorgte das weltweit agierende Designbüro Ralph Appelbaum Associates, das auch für das Humboldt-Forum erste Ideen vorgelegt hat.

www.nms.ac.uk

Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln: Wo sich Hawaii und Nordafrika treffen

Von Nocola Kuhn

Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum hat sich mit seiner Wiedereröffnung 2010 einer Radikalkur unterzogen. Das Haus führt nicht länger den aus Kolonialzeiten stammenden Begriff Völkerkunde im Titel, sondern die Bezeichnung „Kulturen der Welt“. Um deren Zusammenschau geht es in dem auf 3600 Quadratmetern ausgebreiteten Parcours mit seinen 13 Stationen: eine ganzheitliche Betrachtung, bei der die Objekte nicht länger bestimmten Bevölkerungsgruppen oder Regionen zugeordnet sind, sondern sich zu Themen wie Wohnen, Kleidung und Schmuck, Religion und Ritual oder Tod und Jenseits fügen. Da mag sich ein Federmantel aus Hawaii mit einem Mundschmuck aus Neuguinea zusammenfinden, ein Männerhaus der Asmat aus Westguinea mit einem Zelt des nordafrikanischen Bergvolkes der Tuareg. „In einer globalisierten Welt ist es wichtig zu lernen, wie sich die Kulturen gegenseitig durchdringen“, erklärt Direktor Klaus Schneider das Konzept seiner 60 000 Objekte umfassenden Erstpräsentation.

Allerdings leidet die Premiere unter Überinszenierung. Im Innern des arg nüchtern geratenen Neubaus entzündet sich ein Feuerwerk museumstechnischer Effekte. Gazevorhänge wehen zwischen den Abteilungen, um die Neugier zu wecken, allerorten öffnen sich Info-Schubladen und starten Videokommentare, als könnte die Schönheit der Objekte nicht für sich selbst sprechen. Und doch überzeugt die technische Belebung der Artefakte, wenn die in Vitrinen ausgestellten Masken, Musikinstrumente oder Alltagsgeräte zumindest filmisch in ihrem Funktionszusammenhang gezeigt werden. Einen wirklich mutigen Schritt aber wagt das neue Museum mit einem dekonstruierten Yamsspeicher aus Neuguinea, der mit seinen gewaltigen Ausmaßen Teil für Teil von der Decke hängt und die Grenzen ethnologischer Museen offenlegt. Jede Präsentation muss Ausschnitt bleiben und kommentiert damit auch die Institution selbst.

www.museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum

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