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Kultur: Hunde für die Hölle

Abbas Khider erinnert an Saddam Husseins Irak.

Es ist eine Reise ins Herz der Finsternis, die Salims Brief an seine Geliebte Samia antritt. Diese Reise beginnt in Gaddafi City, einem Stadtteil der libyschen Hafenstadt Bengasi, und sie endet in Saddam City, Bagdad. Als Student hatte Salim das Verbrechen begangen, verbotene Bücher zu lesen. Die Folge waren Gefängnis, Folter und Flucht. Seit zwei Jahren lebt er als Exil-Iraker – oder „streunender Hund“, wie das in Bagdad heißt – in Libyen. Der offizielle Postweg ist versperrt, will er Samia nicht gefährden, und das Online-Universum, das die arabischen Facebook- und Twitter-Revolutionen ermöglichen wird, ist noch fern: Wir befinden uns im Jahr 1999.

Eine Woche lang geht der Liebesbrief durch die Hände verschiedener Kuriere: Taxi-, Bus- und Lkw-Fahrer in Libyen, Ägypten, Jordanien. Wo immer er Station macht, herrschen Angst, Sicherheitspolizisten und – Geschäftssinn. Denn die Hoffnungen von Exilanten sind ein lukratives Gewerbe für die „Fachmänner der Hölle“. Eines, an dem sich auch Geheimdienste gern beteiligen.

Dass der 1973 in Bagdad geborene Abbas Khider, selbst verfolgter Exilant und Briefeschreiber, in seinem dritten Roman eigenen Lebensstoff verwertet, ist offensichtlich, aber völlig unwesentlich. Im Vordergrund steht die Konstruktion dieses Erzählens, das sieben verschiedene Stimmen aufeinanderfolgen lässt. Vom gebildeten, unglücklich Liebenden bis zum Tölpel, den das irakische Regime als Briefkontrolleur an die Brotkörbe der Macht bestellt hat; vom Opfer bis zu den Eliten des Terrors, den Familien, in denen der „große Führer“ Saddam ein und aus geht.

Khiders schlichte Sätze, in denen seine Figuren ihre Biografien fast wie Theatermonologe deklamieren, erzählen viel über die Mechanik des Machterhalts, Allmachts- und Kontrollwahn sowie totalitäre Absurditäten im Reiche Saddam Husseins. Aber sie berichten auch über das irakische Elend vor dem Hintergrund des Irak-Iran-Krieges und des US-Embargos, das den Speiseplan auf Auberginen reduziert und das Land zur „Auberginenrepublik“ macht.

Nein, diese Geschichte kennt kein Happy End. Doch lauert, als der Brief ankommt, im Herzen der Finsternis nichts unheilvoll Metaphysisches, sondern das ganz banale Böse. Steffen Richter

Abbas Khider:

Brief in die

Auberginenrepublik. Roman.

Edition Nautilus,

Hamburg 2013.

160 Seiten, 18 €.

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