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Kultur: „Ich bin kein Berlusconi-Mann“

Herr de Hadeln, als Sie Ende März den Job in Venedig bekamen, da war das sicher eine große Genugtuung für Sie, nach Ihrem Berliner Abschied. Oder hatten Sie sich schon ganz verabschiedet von derlei Perspektiven?

Herr de Hadeln, als Sie Ende März den Job in Venedig bekamen, da war das sicher eine große Genugtuung für Sie, nach Ihrem Berliner Abschied. Oder hatten Sie sich schon ganz verabschiedet von derlei Perspektiven?

Sehr deutlich sogar. Fünf Tage vor dem Anruf war ich in Asien, es ging um den Aufbau meiner Beratungsfirma. Und plötzlich hatte ich nur fünf Tage, um Ja oder Nein zu sagen.

Ein turbulenter Start. Sowas müssen Sie mögen.

Ich war wohl der letzte Kandidat auf der Liste. Wenn ich nein gesagt hätte, hätte man wahrscheinlich das Festival dieses Jahr ganz abgeblasen. Zudem gab es nach den Konflikten ein riesiges Misstrauen in der italienischen Filmbranche gegen das Festival. Das ging nicht gegen mich. Viele waren sauer darüber, wie Alberto Barbera kurzfristig gekündigt worden war.

Konnten Sie sich in der Programmplanung auf seine Vorarbeit stützen?

Er hat sehr wenig getan. Seit Februar wusste er ja, man wollte ihn nicht mehr. Aber wir haben lange miteinander diskutiert. Er hat mir jeden möglichen Rat gegen, vor allem in Sachen Biennale-Organisation. Nun ja, ich werde Ihnen jetzt nicht sagen, vor welchen Leuten er mich gewarnt hat...(lacht). Da musste ich dann schon alleine schwimmen.

Sagen Sie’s doch ein bisschen konkreter.

Nun, die Biennale ist in einer Übergangsphase. Vor zwei Jahren war sie noch ein Unternehmen des öffentlichen Dienstes, direkt dem Ministerium unterstellt. Die neue Privatisierung jetzt als GmbH ist aber noch nicht richtig durch. Der ganze hierarchische Zirkus, die bürokratische Beamten-Mentalität, das muss noch weg. Das geht sehr langsam.

Haben Sie auch Hindernisse überwunden?

Einigermaßen. Intrigen gibt es überall. Eigentlich müsste man einen Psychiater haben in jeder Festivalorganisation.

Zum Programm: Der Eröffnungsfilm – über die Malerin Frida Kahlo – wirkt einigermaßen exotisch platziert. Ein Lückenbüßer für Sam Mendes’ „Road to Perdition“, der terminlich nicht passte?

„Bei „Road to Perdition“ ging es nur darum: Wettbewerb oder nicht. Und es gab ein langes Hin und Her darum, wann Tom Hanks kommen kann. Ich hätte gerne einen europäischen Eröffnungsfilm gehabt. Aber dafür braucht man einen meist eher unterhaltsamen Film, der den Ton für das ganze Festival angibt - nicht zuletzt einen für das besondere Publikum dieses Abends, das nicht gerade aus Filmleuten besteht.

Auch Steven Spielbergs „Minority Report“ hätte sich da als Europa-Premiere gut gemacht. Das Studio hätte nur den England-Start ein bisschen verschieben müssen.

Glauben Sie mir, wir haben vieles versucht. Aber die großen Firmen wollen heute schnell Kasse machen. Und die Filme müssen auch schnell raus, wegen der Video-Piraterie vor allem in Asien. Und viele brauchen auch kein Festival, um den Werbeeffekt zu steigern. Als Festivalmacher hat man immer Träume, und dann muss man nehmen, was man kriegen kann.

Hinzu kommt die Konkurrenz der Festivals untereinander. Zum Beispiel Locarno, kurz vor Venedig im Kalender und neuerdings mit A-Status. Hat Festival-Chefin Irene Bignardi Ihnen Filme weggeschnappt?

Überhaupt nicht. Ein Statut sagt nichts über die Realität selbst aus. Venedig bleibt wahnsinnig attraktiv. Schauspieler kommen viel lieber hierher als etwa nach Berlin. Ansonsten: Wenn Irene Bignardi einen Film wollte, der uns angeboten war, haben wir ihn extra schnell gesichtet, um zu sagen, „wir nehmen ihn“, oder „Liebe Irene, du kannst ihn haben“. Sofern der Produzent mitmachte.

Gab es italienische - oder auch internationale – Produzenten, die diesmal wegen der rüden Machtspiele der Regierung Berlusconi Venedig ausdrücklich ausgelassen haben?

Nanni Moretti ist, aus Solidarität mit Alberto Barbera, mit seinem neuen Projekt nach Locarno gegangen. Aber ich schwöre Ihnen: Niemand hat mir einen Film verweigert, den ich haben wollte. Die Leute wissen auch, ich bin kein Berlusconi-Mann. Ich war in Berlin unabhängig und bin es auch hier.

Muss der Biennale-Chef Franco Bernabè zum Ausgleich viele Pressionen aushalten?

Das könnte gut sein. Natürlich ist auch er interessiert an dem, was ich tue, allerdings als Unternehmer, der er ist, nicht als Kino-Mann. Aber er hat nie Einfluss zu nehmen versucht, nicht mal in Zwischentönen.

In den nächsten Tagen wird in Italien ein neues Mediengesetz durchgepeitscht, das das Fernsehen noch stärker unter Berlusconi-Regie stellt. Kino ist nicht Fernsehen – aber ist Ihnen als Festival-Macher nicht unbehaglich, in einem solchen Umfeld zu arbeiten?

So ist es. Es gibt sogar drei oder vier solcher Gesetzesprojekte. Aber Italien ist nicht nur Berlusconi, das ist ein Klischee, das im Ausland ein bisschen leicht entsteht. Ich selber versuche, mich von der Politik so fern wie möglich zu halten. Dieses Festival war viel zu lange von Politik geprägt. Wir sollten besser über Filme sprechen.

Ihr Vertrag läuft bis Ende Dezember. Was dann? Von Irene Bignardi heißt es, dass sie gerne in ein, zwei Jahren Venedig übernehmen möchte.

Das ist richtig. Andererseits hat Franco Bernabè dieser Tage in einem italienischen Interview gesagt, Moritz de Hadeln kann bleiben, so lange er will. Ich finde: Wenn das Festival gut laufen sollte, kann man anfangen nachzudenken. Ich würde nur weitermachen, wenn hier Modernisierungen stattfinden - strukturell, organisatorisch und technisch. Und auch wenn ich selber nicht dabei sein sollte: Hier muss was passieren.

Das Gespräch führte Jan Schulz-Ojala.

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