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Kultur: Ich bin Zähne

„Liliths Wiederkehr“ im Berliner Radialsystem

Joumana Haddad fehlte im Radialsystem, wo am Freitag die Uraufführung der Theaterfassung ihres Texts „Liliths Wiederkehr“ durch das Musiktheater Berlin / Beirut stattfand: Dringend wird die libanesische Autorin und Journalistin, die sich streitbar und poetisch mit dem Frauenbild in der arabischen Welt auseinandersetzt, dieser Tagen in ihrer Heimat gebraucht. Wer nun aber hoffte, in „Lilith's Return“ vom bequemen Logenplatz aus und mit einem wohligen Schauer einen Blick auf die Konflikte zu werfen, die die arabische Frauenbewegung auszufechten hat, wurde enttäuscht. Regisseur Frank Krug hat herausgefunden, dass die Monologe der unangepassten mythischen Lilith (die noch vor Eva aus dem Paradies verstoßen wurde) im Westen eine ganz andere Kraft und Aktualität entfalten, wenn sie von Mitgliedern des Ensembles Gisela Höhne des Theaters Ramba Zamba gespielt werden. Dieses setzt sich aus Schauspielern mit Down-Syndrom, Anfallsleiden und anderen Beeinträchtigungen zusammen.

Doch auch im Kontext einer Gesellschaft, die über Präimplantationsdiagnostik diskutiert, ist Haddads explizite Sprache geeignet, die Burka der Ignoranz zu lüften. „Ich bin die Augen der Familie, die mich musterten. Ich bin die zugezogenen Vorhänge Ich bin meine Zähne und meine zarten Schenkel und meine unzüchtigen Begierden“. Juliana Götze und Nele Winkler agieren in der Doppelrolle der Lilith, Rita Seredßus spielt die Rolle von Gott mit Ausstrahlung, schattierten Emotionen, selbstbewusster Sinnlichkeit und Bewegungen, die genau auf Mahmoud Turkmanis Komposition abgestimmt sind. Die Musik bewegt sich kammermusikalisch und rhythmisch differenziert zwischen freier Atonalität und arabischen Improvisationsmodellen und passt sich Dank des aufmerksamen Spiels von so unterschiedlichen Musikern wie der Geigerin Maya Homburger und dem Perkussionisten Keyvan Chemirani dem starken Text an. Carsten Niemann

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