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Kultur: Ich gegen mich

Revolution ist auch keine Lösung: Die Französische Filmwoche in Berlin präsentiert Selbstporträts mit Schuldkomplex

Nach langjähriger Modelkarriere wird Carla Bruni mit ihrem ersten Album als seriöse Chansonsängerin durch die deutschen Feuilletons gereicht. Ein ähnlich bedeutender Karriereschritt von Carlas großer Schwester wurde hier zu Lande nur von ein paar Spezialisten wahrgenommen. Das liegt auch am Medium: Denn Film – wenn er nicht aus Hollywood kommt – funktioniert immer noch zuerst national. So ist das Regiedebüt der italienisch-französischen Schauspielerin Valeria Bruni-Tedeschi erst jetzt im Rahmen der Französischen Filmwoche in Berlin zu sehen. Dabei hat die Darstellerin seit ihrem ersten bemerkenswerten Auftritt in Jacques Doillons „L’Amoureuse“ 1988 mit vielen Regiegrößen gearbeitet, von Patrice Chéreau (dem bei der Filmwoche eine Hommage gewidmet ist) bis Marion Vernoux.

Auch jetzt ist sie wieder selbst auf der Leinwand zu sehen, unter eigener Regie. Auch sonst ist „Il est plus facile pour un chameau...“, der heute abend die Filmwoche im Cinema Paris eröffnet, ein höchst persönlicher Film: ein fiktionalisiertes Selbstporträt, das mit verspielter Inszenierungslust die Familiengeschichte reflektiert und sich doch nie als Schlüsselgeschichte andient. Dabei scheut sich Bruni-Tedeschi nicht vor konkreten Bezügen. Sie lässt die Filmmutter von der eigenen Mutter spielen, und auch die Besetzung der Schwester durch Chiara Mastroianni spielt genüsslich die Spannung zwischen Rollenpersona und Darstellerpersönlichkeit aus. Ganz genreunüblich ist „Il es plus facile...“dabei nicht als biografisches Entwicklungsdrama inszeniert, sondern als vielschichtige Zustandsbeschreibung, in der Kindheitserinnerungen und Fantasien, Realität und Imagination ineinander aufgehen.

Auch inhaltlich wagt sich die Regisseurin auf ungewohntes Terrain. Der Titel des Films zitiert das Diktum aus dem Matthäus-Evangelium, wonach ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher ins Himmelreich. Federica ist reich, so reich, dass daheim ein echter Brueghel hängt und die Familie in den siebziger Jahren aus Angst vor den Roten Brigaden aus Turin nach Frankreich flüchtete. Federica fühlt sich schuldig, und weder Gott kann sie retten noch der kommunistische Freund, der neben ihr im Jaguar die „Internationale“ singt. Federica macht es sich nicht leicht. Und sie rettet sich selbst, in die Fantasie: In einer der schönsten Szenen prosten sich – von der entführten Tochter versöhnt – Bourgeois und Rotbrigadisten über die opulente Festtafel zu und stimmen revolutionäre Hohelieder an.

Luxusprobleme? Es ist auch die naive Direktheit, mit der Bruni-Tedeschi sich eines eher verpönten Themas annimmt, die diesen Film auszeichnet. Eine Ernsthaftigkeit, die auch bei anderen Produktionen auffällt. Im Gegensatz zu Federica hat die Heldin von Alain Raousts Debütfilm „La Cage“ ganz konkret Schuld auf sich geladen. Der Wunsch nach Vergebung führt sie auf einen zwar beschwerlichen, doch zielgerichteten Weg, auch wenn uns der Regisseur über die näheren Umstände der Figur und ihrer Reise absichtlich im Dunkeln tappen lässt. Während Bruni-Tedeschis Film aus Dialogen gewachsen ist, lebt „La Cage“ von den herben Landschaften der Alpen und der Gesichter. Besonders Caroline Ducey, zuletzt in Doillons „Carrément à l’Ouest“ zu sehen, erinnert mit ihrer trotzigen Unergründlichkeit aufs Erfrischendste an die junge Sandrine Bonnaire: kindlicher Trotz, aus dem Entschlossenheit herausbricht. Ein Film über die Mühen einer Befreiung, beschönigt wird dabei nichts.

So ähnlich sich manche Filme in ihrer existenziellen Aufrichtigkeit sind, so unterschiedlich die Ästhetik der Aneignung. Da ist Raousts Kargheit, aber auch der artifizielle Reduktionismus von Christoph Honorés „17 fois Cécile Cassard“, der seine 17 Szenen um die Odyssee einer jung verwitweten Mutter immer wieder in Schwarzfilm abtauchen lässt. In seiner expressionistischen Lichtsetzung entlockt er sogar Beatrice Dalle unansehnliche Ansichten. Christoph Honoré hat auch am Buch zu Jean-Pierre Limosins „Novo“ mitgearbeitet, der in seinen erzählerischen Mitteln manchmal an „Cécile Cassard“ erinnert, dem es aber vor lauter pseudo-sinnlichen Ambitionen nicht gelingt, Grund unter die Füße zu bekommen. Es geht um einen amnesiegeplagten Yuppie und die schöne Praktikantin, die sich anbietet, fehlende Gedächtniskapazität durch Körpereinsatz zu ersetzen. Auch das ist echt französisches Kino. Auf der Filmwoche ist es – zum Glück – in der Minderheit.

Bis 16. Juli, Cinema Paris und Filmtheater am Friedrichshain. Alle Filme OmU

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