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Kultur: Ich glaub’, mein Schwein fliegt

Wann erobert der digitale Film die Leinwände? Utopien im Berliner Kino „Central“

Von Claudia Cosmo

„Einen digitalen Film zu drehen, hat nichts Mythisches für mich. Eine digitale Kamera ist nur ein weiteres Instrument, mit dem man sich filmisch ausdrücken kann – und das vor allen Dingen auf billige Art und Weise.“ Gary, der Guru, sitzt auf dem Podium des mit orangen Sitzen bestückten Vorführsaals des Central-Kinos und berichtet dem filmisch versierten Publikum sympathisch strahlend von seiner „digitalen Vision“. Der New Yorker Regisseur und Produzent Gary Winick war am Wochenende der Stargast beim „bfilm+digital vision Festival“. Vom 12. bis 18. September zeigt das Festival rund 60 Filme; einen Schwerpunkt stellen dabei Produktionen mit digitalem Material dar. Am Sonntag gab es zudem Diskussionsrunden und Workshops rund um das Thema des digitalen Films.

Winick präsentierte seinen beim „Sundance“–Festival preisgekrönten DV-Film „Tadpole“. Nachdem es dem Regisseur dort gelungen war, den pot of gold zu gewinnen, wurde „Tadpole“ prompt vom amerikanischen Verleih Miramax International für angeblich 6 Millionen Dollar gekauft – der höchste Betrag, der je für einen DV-Film gezahlt wurde. Mit seiner New Yorker Firma „InDigEnt“ betreibt Winick außerdem eine Art filmischen Supermarkt. Zehn Regisseure drehten je einen DV-Film, für den sie zwei Wochen Zeit und nicht mehr als 150 000 Dollar zur Verfügung hatten. Neben „Tadpole“ zeigt das Festival noch zwei weitere „InDigEnt“-Produktionen als Resultate dieser ökonomischen Arbeitsweise.

Winick ist ein Handwerker, ein Macher, von dem auch jemand wie Hans Weingartner noch etwas lernen kann. Der Regisseur von „Das weiße Rauschen“ sitzt im Publikum und holt sich bei Winick nützliche Tipps: „Unterschätzen Sie nie die meist aufwändige Nachbearbeitung Ihres Filmes. Auf DV gedrehte Filme haben bei der Tonnachbearbeitung so ihre Tücken. Machen Sie nicht die Fehler, die ich gemacht habe!“

„Das weiße Rauschen“ auf DV zu drehen, war für Hans Weingartner eine bewusste ästhetische Entscheidung: „Ich wollte die Geschichte über die Schauspieler vermitteln. Digital zu drehen, bedeutet kreative Freiheit. Und es bringt die Möglichkeit mit sich, experimentell zu arbeiten.“ Gemeinsam mit seinen Kollegen Eoin Moore und C. Cay Wesnigk diskutiert Weingartner auf dem Festival über die Chancen und Grenzen des Mediums, das mit dänischen Dogma-Filmen wie Lars von Triers „Idioten“ und Thomas Vinterbergs „Fest“ reüssierte. Auch Eoin Moore betont, dass er seinen dffb-Abschlussfilm ,plus minus Null’ und sein neues Werk „When pigs will fly“ nicht nur aus finanziellen Gründen auf DV gedreht habe. „Ich bin ein ungeduldiger Mensch.“ Die Flexibilität von DV kommt seinem Wunsch nach schnellen Geschichten entgegen. Problematisch, da waren sich alle drei Regisseure einig, wird es, einen Verleih zu finden, der das Werk als Celluloid-Kopie ins Kino bringt. Der Zuschauer muss sich an die grobkörnigen, manchmal verwischten Bilder erst gewöhnen. Sieht Wesnigk die Zukunft des DV-Films im Internet, setzen Moore und Weingartner auf die haptische und sinnliche Erfahrung der großen Leinwand.

Auch im Kameraworkshop erweist sich das Thema „digitaler Film“ als ein oft nicht überschaubares Feld: „Mit der digitalen Kamera zu arbeiten, bringt mich als Kameramann oft zum Wahnsinn. Manchmal habe ich wie im Blindflug gedreht. Die DV-Kamera sieht mehr als man selbst.“ Hanno Lentz, der bei Dominik Grafs neuem Fernsehfilm „Die Freunde der Freunde“ zum ersten Mal digital gearbeitet hat, empfindet für die DV–Kamera eine Art Hassliebe. Sein DV-erfahrener Kollege Bernd Löhr schwört dagegen geradezu auf die Digis und wagt in Eoin Moores „When pigs will fly“ sogar atemberaubende Totalen.

Den Organisatoren des Festivals geht es bei ihren Wochenend-Workshops nicht um unreflektierte Lobhudelei: DV-Filme sind nicht das neue cinematografische Non plus Ultra. Dabei stehen besonders finanzielle Aspekte im Spannungsverhältnis mit künstlerisch-ästhetischen Ansprüchen.

Filmemacher Uli M. Schüppel, der zu den Veranstaltern des Festivals gehört, setzt schon lange auf die kleinen Kameras. Er nahm im letzten Jahr den DV-Film als neue Sektion ins Programm mit auf. „Wir haben gemerkt, dass in diesem Bereich die spannendsten Sachen passieren. Deshalb wollten wir den digitalen Film in diesem Jahr noch mehr ins Zentrum setzen.“ Im nächsten Jahr will das „bfilm+digital vision Festival“, das aus dem 1998 gegründeten „BerlinBeta“-Festival hervorgegangen ist, diese Vorreiterrolle noch weiter ausbauen. Schüppels Vision ist es, in Berlin eines Tages ein Online-Festival zu veranstalten. Dann könnten digitale Filme via Internet auf der ganzen Welt zeitgleich zu sehen sein.

Höhepunkt des „bfilm+digital vision Festivals“ ist die Verleihung des „Digital Vision Award“ am 18. September. Kino International, 21 Uhr. Infos unter: www.bfilm.de

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