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Kultur: "Ich muss nicht den Hamlet spielen"

Morgen Abend haben Sie im Renaissance-Theater Premiere in Yasmina Rezas Zweipersonenstück "Der Mann des Zufalls". Wie lange haben Sie schon nicht mehr auf der Bühne gestanden?

Morgen Abend haben Sie im Renaissance-Theater Premiere in Yasmina Rezas Zweipersonenstück "Der Mann des Zufalls". Wie lange haben Sie schon nicht mehr auf der Bühne gestanden?

Ab und an stehe ich ja immer noch auf einer Bühne, in diesen One-Man-Shows.

Als Entertainer mit Ihrem eigenen Programm, "Al dente". Aber als Schaupieler in einem Theaterstück?

Das ist lange her. Es war 1985 in Bernard Sabaths "Wiedersehen im Herbst", mit Hardy Krüger, damals auch im Renaissance-Theater: eine imaginäre Fortschreibung von "Tom Sawyer und Huckleberry Finn". Ich war der älter gewordene Huckleberry.

Machte Ihnen sowas noch Spaß - als Filmschauspieler mit Ruhm und Auszeichnungen, als Darsteller auch von Shakespeare-, Brecht- oder Dürrenmatt-Rollen?

Es war nicht so toll. Aber Hardy Krüger hatte sich in das Stück verguckt und mich überredet. An die Figuren eines vorhandenen Romans oder Stücks einfach eine Fortsetzung dranzuhängen, ist ja eine etwas fragwürdige Sache. Der gleiche Autor hat das auch mit Tschechows "Drei Schwestern" gemacht, die bei ihm dann doch endlich nach Moskau gelangen.

Man hat auch "Vom Winde verweht" weitergedichtet ...

(lacht) Aber das war nicht von Tschechow!

15 Jahre Pause vom Theater: Die Rückkehr auf die Bühne hat Sie offenbar nicht so furchtbar gereizt.

Das kann man nicht generell sagen. Es ist eher das Problem, dass ich wegen der Film- und Fernseharbeit nicht mehr fest in ein Ensemble gehe. Und in den guten Ensembles sind dann Kollegen in meinem Fach und Alter meist schon vorhanden. Ich hatte zum Beispiel unter Barlog im Schiller-Theater mal einen Vertrag für den Woyzeck. Da ist einer von den Schauspielern aufgestanden und hat gesagt, die Rolle ist mir längst versprochen, und wenn der Adorf kommt, dann gehe ich! Etwas Ähnliches ist mir auch an den Münchner Kammerspielen passiert: Da wollte mich Kortner in Strindbergs "Fräulein Julie" als Jean, aber den hat dann doch der Rolf Boysen gespielt.

Das war in den sechziger Jahren. Hat Sie inzwischen nie ein Zadek, Dorn oder Peymann angerufen?

Nein, nie. Es gab mal einen Plan mit Jürgen Flimm in Hamburg, der hat sich wegen meiner Filmverträge zerschlagen. Natürlich hätte ich, wäre ich am Theater geblieben, gerne noch einige Charakterrollen gespielt, vom Macbeth bis zum Mackie Messer. Auch einen Molière oder den Trigorin in der "Möwe" von Tschechow.

Der Trigorin ist ein Schriftssteller, der eher seine Ruhe sucht, aber für den die Frauen schwärmen. Im Film haben Sie ja meist Typen gespielt, die man nicht gerade als Intellektuelle bezeichnen würde. Viele wissen gar nicht, dass Sie auch Philosophie und Theaterwissenschaften studiert haben. Außerdem schreiben Sie Bücher, Erzählungen.

Man besetzt im Film und Fernsehen nun mal leichter auf einen vermeintlich vertrauten Typus hin. Doch ich kann über die Vielfalt meiner Rollen nicht klagen. Auch der große Bellheim war ja kein Gangster oder Mafioso. Als im Zürcher Schauspielhaus Hans-Christian Blech, der für mich früher Vorbild und Lehrmeister war, den Möbius in Dürrenmatts "Pysikern" spielte, hatte irgendwer gesagt, so sieht doch kein Physiker aus. Da hat Kortner, glaube ich, geantwortet: Sie haben schon lange keinen Physiker mehr gesehen!

Auch Pianisten haben nicht alle lange, schlanke Finger.

Ja. Aber es gibt noch ein anderes Klischee: Das ist der Schauspieler, der sagt, ich muss unbedingt noch den Hamlet spielen! Oder den Lear, bevor ich in die Grube fahre. Zu denen gehöre ich nicht. Ich wäre jetzt natürlich im richtigen Lear-Alter. Doch ich fände das sehr kompliziert. Laurence Olivier hat einmal gesagt, solche Rollen begehrt man, aber man belohnt sich nicht damit. Hamlet, Richard III., King Lear - das sind auch die Strafrollen.

Als ein noch nicht so bekannter englischer Schauspieler zum ersten Mal den Lear spielen sollte, ist er zu Olivier gegangen und hat gefragt: Larry, gib mir einen Tipp, auf was muss ich beim Lear besonders achten? Darauf hat Olivier geantwortet: Das Wichtigste als Lear ist deine Bandscheibe, frag den Regisseur, wieviel Kilo die Cordelia wiegt!

Die Schlusszene. (lacht)

Sie müssen Ihre tote Lieblingstochter nun nicht mehr an die Rampe tragen

Wer weiß ...

Ein moderner Trigorin könnte auch Ihr Schriftsteller sein, den Sie jetzt in Yasmina Rezas "Mann des Zufalls" spielen, zusammen mit Ilse Ritter. In Frankreich war es zunächst ein Hörspiel, das wurde mit Jeanne Moreau und Michel Piccoli produziert.

Auf der Bühne haben das Stück in Paris zuerst Michel Aumont und Françoise Fabian gespielt. Es ist ein gewisses Wagnis. Ein Mann und eine Frau sitzen in einem Zugabteil, die Frau erkennt in ihm einen bekannten Schriftsteller, dessen Buch sie gerade in der Handtasche hat, sich aber nicht getraut, es vor seinen Augen rauszuholen. Und der Mann denkt, komisch, eine Frau im Zug - und sie liest gar nichts.

Beide reden darüber nur in inneren Monologen. Ein psychologisches Kopf-Theater - und eine unausgesprochene Liebesgeschichte.

Ja, und diese besondere innere Spannung herzustellen, ist die Schwierigkeit und der Reiz, die Herausforderung.

Haben Sie Rezas letztes Stück "Drei Mal Leben" gesehen?

Leider noch nicht. Aber ich kenne von ihr "Kunst" und lese gerade die Erzählungen "Hammerklavier". Diese Schriftstellerin gefällt mir.

Sie hat mir einmal erzählt, wie es zu dem "Mann des Zufalls" kam. In Paris wohnte in ihrem Viertel auch der berühmte exil-rumänische Philosoph und Erzähler E.M. Cioran. Als sie ihn einmal auf der Straße sah, ist sie ihm durch mehrere Straßen und Geschäfte gefolgt, unbemerkt - und hat sich nicht getraut, Cioran anszusprechen.

Eine schöne Geschichte. Hätte sie ihn angesprochen, dann hätte es das Stück wohl nicht gegeben. So entsteht etwas, indem etwas nicht geschehen ist.

Bald sehen wir Sie erneut im Theater, in Moritz Rinkes Dramatisierung der "Nibelungen" bei den ersten Wormser Freilichtfestspielen Mitte August. Sie spielen...

natürlich den Hagen.

Und der Regissseur heißt Dieter Wedel. Eine Überraschung?

Fürs Theater vielleicht. Aber ich habe Wedel selbst vorgeschlagen, weil ich in unserer Fernseharbeit, zuletzt auch wieder bei der "Affäre Semmeling", beobachtet habe, wie gut Wedel personenreiche Szenen und Massenauftritte inszenieren kann. Nicht viele Regisseure haben dieses Talent, auf das es bei einem Stoff wie den "Nibelungen" auf einer Freilichtbühne ankommt. Jedenfalls wird es ein Abenteuer - zumal, wenn ich an das deutsche Sommerwetter denke!

Morgen Abend haben Sie im Renaissance-Theater Prem

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