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Kultur: Idi Roi

Peter von Becker über die Auferstehung eines Gespenstes Am 10. Dezember 1897 begann auf der kleinen Bühne des Théâtre de l’Œuvre in Paris die Moderne – naturgemäß mit einem Skandal.

Peter von Becker über die Auferstehung eines Gespenstes

Am 10. Dezember 1897 begann auf der kleinen Bühne des Théâtre de l’Œuvre in Paris die Moderne – naturgemäß mit einem Skandal. Denn das erste Wort des damals uraufgeführten Stücks hieß: „Merdre!“, zu gut deutsch „Schreiße!“. Und dieses Unwort kam aus dem Mund eines wunderlichen Unholds, eines monströsen Fleischbergs, der das Fressen und Foltern, das Rauben und Morden liebte, ein Volks und Familientyrann, der mit seinen Staats-Streichen prahlte, dass es eine groteske Lust war. Ein Herrscher und Clown, dieser Ubu Roi, König Ubu und Titelheld des Dramas von Alfred Jarry. Der ersten kohlschwarzen Komödie.

Gut siebzig Jahre später gab es dann den vom Feldwebel zum Feldmarschall und Staatschef aufgestiegenen Idi Amin. Von dem es an diesem Wochenende (offenbar vorzeitig) hieß, dass er nach fast 25 Jahren Exil in Saudiarabien im Sterben liege.

Plötzlich also taucht ein suggestiver, fast vergessener Name aus jener Zeit wieder auf, als Saddam Hussein noch ein (weitgehend unbekannter) good guy des Westens war. Einst nämlich herrschte Idi Amin in Uganda – und hielt die Welt und die Weltpresse mit so grausig makaberen wie mitunter komisch naiven Nachrichten in Atem. Mal verschwanden seine Minister, Gegner oder Ehefrauen im Maul von Krokodilen oder wurden zerhackt und gebraten, mal lud er sich zu Hochzeiten an den englischen Hof ein, sandte Queen Elizabeth, seiner obersten Chefin aus Kolonialzeiten, bizarre Telegramme zur Rettung der britischen Wirtschaft, mal vertrieb er 50000 Inder aus seinem Land (und ruinierte Ugandas Wirtschaft), mal nahm er ein paar Engländer als Geiseln, beschenkte sie mit Schnaps und Sex und ließ sich von ihnen – als Zweimetermann und ehemaliger Schwergewichtsboxer – vor den Fernsehkameras in einer Sänfte tragen.

Das war dann die Umkehrung des Kolonialherrenstils. Und Idi Amin Dada, der aus Alfred Jarrys frühdadaistischem Ubu-Stück entsprungen schien, er wirkte als Monster und Machtmensch tatsächlich wie die schwärzeste Fratze des weiß-kolonialen Erbes. Zwischendrein machte er die schöne, in Cambridge promovierte Elizabeth Bagaya, ein internationales Topmodel und dazu Prinzessin von Togo, zu seiner Außenministerin – und schasste sie dann mit dem Vorwurf, es mit einem weißen Diplomaten auf einer Flughafentoilette „getrieben“ zu haben. Als er 1972 Bonn und Berlin besuchte, wurde er von Willy Brandt empfangen und wunderte sich später, in Deutschland „nirgendwo ein Denkmal Adolf Hitlers“ gesehen zu haben. Comical Idi mit seinem berühmt breiten Grinsen war überhaupt immer für Scherze gut. Und am Ende hatten dafür etwa 300000 Ugander mit dem Leben bezahlt.

Um seinem ehemaligen Boxkollegen Muhammad Ali nachzueifern oder seinem libyschen Geldgeber Gaddafi zu gefallen, wurde Idi Amin irgendwann auch Moslem. Und so fand er nach seinem Sturz 1979 und Stationen in Zaire und Libyen als Moslembruder und „Held von Afrika“ bei den Saudis Zuflucht. Ab da aber war er plötzlich weg. War nur noch ein Gespenst: Nachklang des Wortes „the horror“ aus Joseph Conrads afrikanischem „Herz der Finsternis“. Amin, Bokassa, Mobutu; bald wird Liberias Taylor ein ähnlicher Fall von komfortablem Exil – statt vorm Internationalen Strafgerichtshof zu enden.

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