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Iggy Pop im Tempodrom

© dpa

Iggy Pop im Tempodrom: Wir sehen uns im Himmel

Punk-Pionier Iggy Pop zelebriert im Berliner Tempodrom eine kraftvolle Rock-Show – und erinnert an seinen Freund David Bowie

Champagner auf Eis? Ob David Bowie und Iggy Pop den damals in Berlin wirklich getrunken haben? Die beiden waren ja ziemlich abgebrannt und bestellten beim Griechen den Studententeller für fünf Mark. Vielleicht haben sie beides gemacht: Billig gegessen und teuer getrunken. Denn in Iggy Pops neuem Song „German Days“ geht es ja nicht nur um das Edelgetränk, er singt auch auf Deutsch das Wort „Schnellimbiss“. Rätselhafterweise erwähnt er zudem Papst Benedikt und Christus.
Bei seinem Auftritt im ausverkauften Tempodrom bringt Iggy Pop kein Licht in die Sache. Er kündigt das Stück lediglich als „real special to me“ an und kippt zwischendurch ein imaginäres Glas schnell runter. Nostalgisch ist er Sänger offenbar nicht aufgelegt, gibt keine einzige Anekdote über seine Jahre in West-Berlin zum Besten. Muss er auch nicht, denn die Songauswahl ist ohnehin eine Hommage an diese Zeit: Neben den Stücken von seinem im März veröffentlichten Album „Post Pop Depression“ singt er (mit einer Ausnahme) ausschließlich Lieder von seinen ersten beiden Solo-Platten, die er 1976/77 zusammen mit David Bowie in Berlin aufgenommen hat.

Schon beim zweiten Song fliegt das Jacket in die Ecke

Das Titelstück von „Lust For Life“ ist um Punkt neun Uhr die perfekte Eröffnung für die knapp zweistündige Rock-Show. Die fünfköpfige Band steht erstmal allein auf der Bühne, man kann ihre schwarz-roten Glitzerjacketts bewundern, die sie ein wenig nach Motown aussehen lassen. Was gut zu dem knallig- treibenden Rhythmus passt, der ja von den Supremes geklaut ist. Dann tobt Iggy Pop herein, schwarze Hose, schwarzes Jackett auf nackter Haut. Er streckt dem Publikum erstmal beide Mittelfinger entgegen, rubbelt mit dem Mikro im Schritt rum und zeigt bei der Zeile über den „modern guy“ ein bisschen Schulter. Schon beim nächsten Song fliegt das Jackett in die Ecke. Schließlich ist die gebräunte Lederhaut ein Markenzeichen des 1947 als James Newell Osterberg geborenen Mannes. Was hat dieser kleine Körper nicht alles mitgemacht: Drogensucht, Bühnenstürze, ausgekugelte Schulter, kaputte Knie, ein verkürztes Bein und zuletzt eine Rückenoperation – kein Wunder, dass Iggy Pop ein wenig hinkt. Doch weil er meistens hüpft oder herumposiert, fällt es nicht so auf.

Die Rolle des wilden Punk-Tiers spielt der einstige The-Stooges-Sänger vor allem zu Beginn. Wobei es fast wie ein Selbstzitat wirkt, wenn er lauter F-Wörter in seine Ansagen packt oder bei „Sweet Sixteen“ die Worte „hungry“ und „crazy“ besonders räudig herauspresst. Bald wird er freundlicher, lacht oft und winkt immer wieder den Fans zu. Als sie den „Lala“-Chorus seines Hits „The Passenger“ mitsingen, freut er sich sichtlich. Und bei einer Runde durch den Innenraum – Crowdsurfing geht dann doch nicht mehr – strahlt er übers ganze Gesicht, lässt sich küssen, umarmen, berühren.

Eines seiner besten Alben seit Jahrzehnten

Ja, das hat etwas von Abschied. Alle wissen, dass der Musiker das Album „Post Pop Depression“ als sein wohl letztes bezeichnet hat, auch der Titel deuten darauf hin. Er fragt: Was bleibt von Iggy Pop und was kommt nach dem Popstar-Leben? Eine Depression ist ihm nicht zu wünschen, zumal das Album eines seiner besten seit Jahrzehnten ist. Eine wichtige Rolle spielt Queens-Of-The-Stone-Age- Chef Josh Homme, in dessen Studio er einen Bogen zu seiner Berliner Zeit schlagen wollte. Insgesamt geht diese Rechnung auf der soliden Rockplatte auf, vor allem bei Stücken wie „Gardenia“, das live ebenso überzeugt wie das stoisch rumpelnd vorgetragene „In The Lobby“. Die Band, zu der zu mit Dean Fertita und Troy Van Leeuwen zwei weitere Queens-Of-The-Stone-Age-Mitglieder sowie Arctic-Monkeys-Schlagzeuger Matt Helders und Bassist Matt Sweeney gehören, spielt im Tempodrom konzentriert- sachdienlich. Alles für den Meister, der gut bei Stimme ist, aber auch keine gesanglichen Herausforderungen mehr sucht. Josh Homme gönnt sich gelegentliche Soli, wobei er nie übertrieben in den Vordergrund drängt. Oft wechselt der knapp zwei Meter große Kalifornier die Gitarren, spielt bei „Sunday“, dessen Intro von Kiss’ „I Was Made For Loving You“ inspiriert zu sein scheint, sogar eine 12-saitige Vintage-E-Gitarre. Als unsichtbarer Gast scheint David Bowie im Raum zu sein. Ganz besonders natürlich bei „China Girl“ und „Tonight“, die Iggy Pop mit dem Briten schrieb, und die dieser später selbst noch einmal aufnahm. Bei der „Tonight“-Zeile „I will see you in the sky“ zeigt Iggy Pop nach oben, erwähnt anschließend kurz die Arbeit mit Bowie im Hansa Studio. Es bleibt die einzige explizite Referenz, doch jedes Mal, wenn Iggy Pop das Wort „stars“ singt oder sagt, wirkt es wie ein Gruß an seinen alten Freund, den Starman. Bowie war gerade 69 geworden als er starb, Iggy Pop ist seit etwas über zwei Wochen 69. So fit wie er in Berlin wirkt, wird er wohl noch einige Geburtstage feiern. Und falls er sich wirklich für die Rente entscheidet, wäre diese Tour ein würdiger Abschluss seiner Karriere.

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