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Il Ponte: Seit 20 Jahren Italiens Freunde

Vor 20 Jahren gründete in Potsdam eine kleine Gruppe Italienbegeisterter den Verein Il Ponte, die Brandenburgische Gesellschaft der Freunde Italiens. Sie ist eine gemeinnützige und unabhängige Kulturgesellschaft, die Il Ponte, die Brücke, zu ihrem Symbol und zugleich zu ihrem Programm gemacht hat. Die Schriftstellerin Lonny Neumann nimmt seit Jahren an Studienreisen des Vereins teil. Im vorliegenden Ausschnitt berichtete sie von ihren Eindrücken einer zehntägigen Fahrt nach Sizilien.

Neben baumhohen Kakteen, einem Wegweiser gleich, die weiße Säule. „Seit dem Altertum steht sie dort“, sagt der kleine Alte, der mit uns durch die Ruinenstadt Selinunte geht. Benannt nach der Göttin der Fruchtbarkeit, galt sie als heiliger Ort. Möglich, dass auch der wild wachsende Sellerie ihr den Namen gab oder der kleine Fluss Silinus, der heute Medione heißt. An der Mündung die längst verlandeten Häfen, in denen die Griechen einst das Land betraten.

Das Männlein, der Alte, drängt: Unbedingt, noch bevor wir die aus den Trümmern freigelegte Stadt und die wiederaufgestellten Tempel sehen, sollen wir mit ihm in die Cave de Cusa, den Steinbruch, schauen, in die Werkstatt also, in der Sklaven nach dem Vorbild stiftenden klassischen Maß aus Tuffstein die Säulen für die Tempel schlugen. Das war lange bevor unsere Zeitrechnung begann. Sklaven rollten auch die vollendeten Säulen an ihren Platz und stellten sie auf. Jene Amphore, auf die der Alte zeigt, könnte Morphium enthalten haben – um die Männer für die Arbeit zu stimulieren.

Als man vor einem halben Jahrhundert anfing, die Reste der Stadt wieder freizulegen, war unser Alter ein junger Mann. Seit damals ist er dabei. Im zerfälteten Gesicht glühen dunkel die Augen. Er hat die Tempel im Kleinformat nachgebildet und in die Akademien gegeben – zum Lernen, zum Staunen.

Auf dem alten Gemäuer liegt Tau, die junge Frische der Welt. Schafe, kleine Glocken am Hals, ziehen vorüber. Es sieht aus, als seien die Griechen nur für einen Augenblick von der Arbeit fortgegangen und hätten die unvollendeten Säulen für die Dauer einer Pause abgelegt.

Schon verschwimmen die Bilder, wechselt wieder der Mond, während er doch eben noch so nie gesehen groß und rund über Siracusa stand und einer blassen Sonne glich.

Wegen dieser kurzen, vergänglichen Augenblicke, aus denen schließlich unser ganzes Leben besteht, will ich doch danach suchen, aus den Bruchstücken ein Bild zu formen. Als sei ich sonst nicht dort gewesen und nur so „um es auch einmal gesehen zu haben“, nach Italien gekommen.

Ich gehe noch einmal den Weg an der Stadtmauer der Griechen in Selinunte entlang und sehe durch die Mauerdurchbrüche auf die leuchtende See, über die einst die Griechen kamen. Hier also haben sie gelebt, so wohlhabend, dass sie ihre Stadt in nicht einmal einem Jahrhundert mit vielen Tempeln schmücken konnten.

„Sie aßen, als müssten sie morgen sterben, und bauten, als lebten sie ewig“, sagt der Alte. Scheint es mir nur so – oder klingt es warnend, wir möchten innehalten. „Nur drei Generationen waren hier glücklich. Sie zerstörten ihre Stadt, bevor die Karthager sie einnehmen konnten. Erdbeben gingen darüber hinweg und besorgten den Rest“, so der Alte.

Das brennende Licht auf den Lidern – die blühende Aloe inmitten der blassblauen Blüten des Rosmarin vor den antiken Säulen des Tempels, senke ich – wie betäubt vom Licht – den Blick und finde eine Scherbe, den geformten Rand einer Vase oder einer Schale. „Ein Original“, sagt der Alte.

Der kräftige Marsala, gereift auf den Hängen des Ätna, leuchtet bernsteinfarben in den Gläsern, als wir Siesta halten. Trinken wir davon bei der Limone, die blüht zur Vollmondzeit und dreimal im Jahr werden ihre Früchte geerntet. Wir verweilen bei den Steinen unter dem Johannisbrotbaum, wie viele, die vor uns waren und natürlich auch er, Goethe, Steinen und Pflanzen nachsinnend. Wohin wir auch kommen, ist er schon dagewesen. Und natürlich gehört seine „Italienische Reise“ ins Gepäck. Folge ich dem Alten auch gern, so suche ich doch danach, auf ein eigenes Bild von den Dingen zu kommen – staunend, wie es in Augenblicken geschieht, in denen das Leben sich öffnet und Äußeres sich uns anverwandelt, bis die innere Welt zu klingen beginnt.

Lonny Neumann

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