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Kultur: IM Barbara (Kommentar)

An Hiob, den biblischen Unglücksraben, muss man denken, wenn man in diesen Tagen Thomas Langhoff sieht. Kaum ein Unglück scheint den Intendanten des Deutschen Theaters Berlin zu verschonen.

An Hiob, den biblischen Unglücksraben, muss man denken, wenn man in diesen Tagen Thomas Langhoff sieht. Kaum ein Unglück scheint den Intendanten des Deutschen Theaters Berlin zu verschonen. Seit der Nichtverlängerung seines Vetrages, die er als Rauswurf empfand, glückt an dem Haus keine Inszenierung. Der Etat weist eine Lücke von 2,4 Millionen Mark aus. Und nun dies: Rosemarie Schauer, Langhoffs langjährige Stellvertreterin, ist als "IM Barbara" geoutet worden. Gestern hat man "einvernehmlich" Schauers Vertrag aufgelöst. Die Stasi-Verwicklung seiner Vertrauten trifft Langhoff schwer. Auf Rosemarie Schauer hat er, auch in der Öffentlichkeit, stets gebaut, ihr ließ er oft genug den Vortritt, wenn es um die Geschicke des Deutschen Theaters ging. Kürzlich erst, auf der schon berüchtigten Sitzung des Unterausschusses Theater, verteidigte Schauer, nicht Langhoff, den Finanzplan des Hauses. Darin hatte sie ein gewisses Geschick. Und Übung. Peinliche Befragungen, Kontakte zu Stasi-Offizieren gehörten bei einer stellvertretenden Intendantin zum Tagesgeschäft. Dem konnte man sich nicht entziehen. Davor aber, 1973 in Schwerin, war Rosemarie Schauer nur in untergeordneter Stellung am Theater tätig. IM Barbaras Berichte über den Regisseur Wolfgang Engel fielen gewiss nicht in die Tätigkeit einer Dramaturgin. Daher wiegt dieser Fall schwer: Gegen Ende der Ära Langhoff wird das Deutsche Theater höchst unangenehm auf die Vergangenheit gestoßen. Und das ist kein Einzelfall: Dresdens Intendant Dieter Görne ist soeben unter Stasi-Verdacht geraten. Der an der Berliner Volksbühne tätige Regisseur Thomas Bischoff hat seine Stasi-Mitarbeit eingeräumt. Pikant, dass Görne aus diesem Grund Bischoff gerade eine Inszenierung absagte.

Das Thema Staatsicherheit schien am Theater schon überwunden. Warum kommt es jetzt wieder? Vielleicht hat mancher Theatermensch im Osten gezögert, seine Akte bei der Gauck-Behörde anzufordern. Vielleicht sind auch die Dechiffrierungsmethoden besser geworden. Kommt jetzt eine große Welle nach?

Rüdiger Schaper

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