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Kultur: Im Flug der Zeit

„Podpolje“: mit Martin Wuttke, Volker Spengler und Dostojewski Im Hangar von Neuhardenberg

Sieht aus wie Film. Fühlt sich auch so an. Film-Theater mit russischem Stoff: die Passion des Volksbühnen-Chefs Frank Castorf. Zweimal schon Dostojewski, einmal Bulgakow. Depression, Lebensekel, Fragen nach Mensch und Gott, projiziert auf die Folie amerikanischer Road-Movies. Nun hat sich Volksbühnen-Star Martin Wuttke davon gemacht – in die Weiten Brandenburgs. Auf dem Flughafen Neubrandenburg, wo früher die DDR-Bosse abhoben und heute Fernsehkrimis gedreht werden, dreht er sein eigenes Ding. Wieder Dostojewski: „Podpolje“, nach den „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“. Wuttke als Philosoph, am Steuer des holzverkleideten Ford-Kombi, fragt: „Was ist besser: billiges Glück oder erhabenes Leid?“

Die Zuschauer werden mit Bussen vom Schloss Neuhardenberg (die Stiftung koproduzierte das Spektakel mit der Volksbühne) zu einem Hangar gekarrt. Sommertheater, intensiv und entspannt: Wuttke mit Wohnwagen, mit Beifahrer Volker Spengler und der unglaublich hübschen Anhalterin Margarita Breitkreiz, die das Regieteam Martin Wuttke und Paul Plamper in Berlin von der Straße weg engagiert hat, tuckern heran. Der Himmel färbt sich rot, die Mücken stechen, man schaut den Desperados zu, wie sie sich häuslich einrichten, wie Spengler, der große zärtliche Schweiger, sein Nähzeug herausholt, wie das Mädchen fernen Träumen nachhängt und Wuttke um Fassung ringt. Nein, eigentlich ringt er um seine Verzweiflung – weil es heute nicht mehr so einfach ist wie im 19. Jahrhundert, Weltschmerz zu kultivieren. Sie haben Lust zu gar nichts. Sie sind wie Kinder, unbeobachtet. Wann hat man sich im Theater je so frei gefühlt! (Wieder am 30. und 31. 8. sowie am 1. und 6. 9.) R. S.

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