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Kultur: Im gläsernen Boot - CDU-Parteizentrale am Klingelhöfer-Dreieck

Wäre das Finanzgebaren der CDU in den letzten Jahren ähnlich transparent gewesen wie die Architektur ihrer neuen Bundeszentrale am Berliner Klingelhöferdreieck, Helmut Kohl wäre immer noch ihr Ehrenvorsitzender. Doch da die CDU aus den bekannten Gründen derzeit jeden Pfennig drei Mal umdrehen muss, sitzt sie auch als Bauherr auf dem Trockenen.

Wäre das Finanzgebaren der CDU in den letzten Jahren ähnlich transparent gewesen wie die Architektur ihrer neuen Bundeszentrale am Berliner Klingelhöferdreieck, Helmut Kohl wäre immer noch ihr Ehrenvorsitzender. Doch da die CDU aus den bekannten Gründen derzeit jeden Pfennig drei Mal umdrehen muss, sitzt sie auch als Bauherr auf dem Trockenen. Das ist schade, denn sonst hätte manches architektonische Detail ihres Neubaus vielleicht eine etwas ambitioniertere Ausführung erfahren, so wie bei der CDU-nahen Adenauer-Stiftung von Thomas van den Valentyn, die nur einen Katzensprung von der Parteizentrale entfernt liegt.

Doch auch in ihrer light-Version kann sich die neue CDU-Bundeszentrale sehen lassen. Sie stammt aus der Hand des erfolgreichen Düsseldorfer Architekturbüros Petzinka, Pink & Partner, das mit dem gläsernen Düsseldorfer Stadttor Furore gemachte hat, seit März 1999 Sitz der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei. Offenbar ist man in NRW so glücklich mit der ambitionierten Glasarchitektur von Petzinka, Pink & Partner, dass das Büro auch den Wettbewerb für die neue Berliner Landesvertretung an der Hiroshimastraße gewonnen hat.

Die neue CDU-Bundeszentrale bildet das gläserne Eckstück des Tiergarten-Dreiecks am Landwehrkanal, ein Areal in citynaher Bestlage, das trotz wechselnder Bebauungsvisionen jahrzehntelang als West-Berliner Rummelplatz unter Wert genutzt wurde. Bedauerlich, dass die städtebaulichen Vorgaben dem Tiergarten-Dreieck mit sechs Metern Straßenbreite und 18 Metern Traufhöhe einengende Vorschriften machen, an denen auch der zentrale Platz wenig ändert, um den sich die 13 Einzelgebäude gruppieren. So dominiert Platzangst anstelle der beabsichtigen Wiederbelebung der "europäischen Stadt".

Um sich seine Nachbarn und die Verkehrschneise Klingelhöfer Straße auf Distanz zu halten, haben Petzinka Pink & Partner ihrem Neubau eine spitz zulaufende gläserne Hülle umgelegt, die auf einem mit Travertin verkleideten Sockelgeschoss aufsetzt. Nur einfach verglast, dient die Glashülle als großzügiger Wintergarten und zugleich als Schall- und Wärmepuffer. Leicht aus der Achse verschoben, ist ihr ein fast ovaler Baukörper eingestellt, dessen organischer Grundriss an ein Schiff erinnert. Seine beiden oberen Stockwerke überspringen die vorgegebene Traufhöhe und wachsen - sich leicht verjüngend - turmartig aus der Glashülle hervor. Der Kombination von Stahl und Glas beim Wintergarten sollten an der Fassade des Ovals durchgängig die Materialien Holz und Glas gegenüber stehen. Doch für die hölzernen Fenster im fünften und sechsten Obergeschoss, die der Witterung ausgesetzt sind, fand sich kein Produzent, der die geforderten fünf Jahre Gewährleistung übernahm. So wurden zwar Fenster und Fassade im Wintergarten aus hellem Holz ausgeführt, die beiden Obergeschosse aber erhielten silbrig schimmernde Aluminiumfenster. Sie passen nicht zu den hölzernen Fassadenpaneelen und stören den Gesamteindruck des Gebäudes gewaltig.

Der Großzügigkeit des Äußeren steht das luftige Atrium in nichts nach. Es ist als glasgedeckter Lichthof ausgeführt, der über alle sechs Geschosse reicht. Zum baumgesäumten Landwehrkanal hin ist ein großer Veranstaltungssaal angelegt, der - je nach Bedarf - aus zwei kleineren Einheiten zusammengeschaltet werden kann. Die Flure der Obergeschosse sind als offene Galerien ausgebildet, die um den Lichthof herum laufen. Auch das sorgt für viel Transparenz und Offenheit. Etwas unmotiviert wirkt dagegen die Treppe, die vom ersten Obergeschoss in das Atrium hinabführt und kurz vor den Fahrstuhlschächten endet.

So wenig aufregend inszeniert diese Treppe ist, so wichtig wird sie künftig sein, doch ihr Sinn erklärt sich erst vom Obergeschoss aus: sie dient als direkte Verbindung zwischen dem Atrium und dem Tagungsraum des CDU-Bundesvorstandes, einem doppelgeschossigen Saal von angenehmer Großzügigkeit und mit herrlichem Blick über Tiergarten und den Lützowplatz. Nicht weniger reizvoll ist der Ausblick von der Dachterrasse, die aber zur City West gerichtet ist. Die Büros bieten trotz normierter Größe durch die ungewöhnliche Fassadenform des Ovals alle eine individuelle Note. Bleibt nur abzuwarten, ob die architektonische Unverwechselbarkeit und Transparenz der neuen Parteizentrale unter der designierten Parteichefin Angela Merkel auch zum politischen Markenzeichen der CDU wird.

Jürgen Tietz

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