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Kultur: Im Großformat

New York feiert: Pop-Pionier James Rosenquist wird 70

Als zwei Kollegen vom Gerüst in den Tod stürzten, gab er die Plakatmalerei auf. Da war er 26, lebte in New York, wohin er 1955 zum Studium an der Art Students League gekommen war, bis ihn Geldnot wieder zur Schildermalerei trieb. Die hatte er bereits in seiner Heimat im Mittleren Westen der USA ausgeübt. Doch nun, im Jahr 1960, beginnt die künstlerische Laufbahn von James Rosenquist. Er wurde zu einem der erfolgreichsten Künstler der Pop Art, die seit Beginn der Sechzigerjahre die Kunstwelt revolutionierte – und er ist bis heute eher noch produktiver geworden. Davon jedenfalls legt die umfassende Retrospektive Zeugnis ab, die ihm das New Yorker Guggenheim Museum derzeit ausrichtet – (auch) als Ehrung zu seinem 70. Geburtstag am heutigen Sonnabend.

Von einem Frühwerk zu sprechen, fällt bei Rosenquist schwer. Von einigen wenigen, ungelenken Anfängen abgesehen, fand er in kurzer Zeit zu seinem Stil virtuos kombinierter Motive; man könnte von gemalten Collagen sprechen. Bereits seine erste Ausstellung in der legendären New Yorker Green Gallery wird ein voller Erfolg, und noch im selben Jahr stellt er gemeinsam mit Künstlern wie Roy Lichtenstein aus, für die bald darauf der Gruppenbegriff „Pop Artists“ geprägt wird. In diesem atemberaubenden Tempo geht es in den folgenden Jahren weiter, und als er 1965 die 26 Meter lange Arbeit „F-111“ in der trendsetzenden Galerie von Leo Castelli – die auch Lichtenstein und Andy Warhol vertritt – ausstellt, kommt das einem Ritterschlag gleich.

„F-111“, das in Wirklichkeit aus 51 Tafeln besteht, wurde bei Castelli wie ein umlaufendes Fresko an allen vier Wänden des vorderen Galerieraumes gezeigt. Im Guggenheim Museum ist dieser Raum jetzt nachgebaut, um den überwältigenden Eindruck zurückzugewinnen, den diese nie im Ganzen zu überblickende, dafür aber stets bis in den hintersten Augenwinkel präsente Arbeit besaß. Das geht im Guggenheim nur, weil das Museum neben seiner berühmten „Spirale“ auch die seitlichen Galerien aufgeboten hat, um die – stets großformatigen – Arbeiten Rosenquists zu präsentieren.

Das funktioniert in der allenfalls für kleine Formate tauglichen „Spirale“ nur bedingt; und umso weniger, je höher der Besucher in der von unten nach oben chronologisch geordneten Übersicht aufsteigt. Auffällig ist das Übergewicht jüngerer und jüngster Arbeiten. Nachdem Rosenquist 1969 mit „Scheuklappen“ – einer stolzen Erwerbung Peter Ludwigs und heute in Köln – ein zweites Mal im „Castelli-Format“ brilliert hatte, verlangsamte sich seine Produktivität in den Siebzigerjahren merklich. Der unmittelbare Anlass mag ein schwerer Autounfall Anfang 1971 gewesen sein, der tiefere Grund indessen das Abflauen der kreativen Phase der Pop Art, die nun die europäischen Museen erobert. Erst die Anerkennung als Klassiker der amerikanischen Kunst, die Rosenquist seit Mitte der AchtzigerJahre erfährt, erlaubt ihm gewissermaßen, sein Formenvokabular und seinen Malstil ohne Originalitätsdruck immer weiter zu variieren. Ein gewaltiges Alterswerk entsteht.

In jüngerer Zeit verarbeitet Rosenquist Bilder aus der üppigen Flora und Fauna seiner Wahlheimat Florida, kehrt aber – etwa in der Auftragsarbeit für die Deutsche Guggenheim Berlin, „The Swimmer in the Economist“ von 1998 – zu im weitesten Sinne gesellschaftspolitischen Themen oder besser Fragestellungen zurück. Was die jüngeren Werke angeht, fällt die New Yorker Ausstellung eindeutig zu üppig aus. Weniger ist mehr – zumal bei einem Maler, der schon mit einem einzigen Werk ein optisches Feuerwerk entfachen kann, das allein schon der Gleichzeitigkeit der Motive halber Zeit zur Entzifferung verlangt.

Es ist gerade diese Schwierigkeit, die Bilder mit einem Blick zu erfassen, die die einstige kulturkonservative Verdammung als „billige Plakatmalerei“ als Vorurteil enthüllt. Denn Plakate müssen auch noch für den flüchtigsten Autofahrer erkennbar sein, um zu wirken. Rosenquists Kunst, so sehr sie sich vordergründig mit dem Massenkonsum oder überhaupt der Massenkultur befasst, ist zugleich eine beständige Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung im Zeitalter der Reizüberflutung. Wofür die Jubiläumsausstellung des Guggenheim Museums das beste Zeugnis ablegt.

New York, Guggenheim Museum, bis 25. Januar. Umfassender Katalog: 45 Dollar.

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