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Kultur: Im Halbdunkel

Deutsch-russische Bande: der Kriegsfilm „Polumgla“

Der Zeitpunkt ist symbolisch gewählt: Pünktlich zum heutigen 8. Mai, dem Jahrestag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg, bringt der neu gegründete Berliner Rusfilm Verleih mit seinem ersten Film „Polumgla“ eine tragikomische Aufarbeitung der deutsch-russischen Kriegsgeschichte ins Kino.

„Halbdunkel“ (so der deutsche Filmtitel) ist der Name eines russischen Bauerndorfs am nördlichen Ende der Welt – eine schummrige Schneewüste, in der ein Trupp deutscher Kriegsgefangener unter Aufsicht zweier russischer Offiziere einen Funkturm bauen soll. Ein „strategisch höchst wichtiges Projekt“, wie den Beteiligten von allen Seiten versichert wird. Früher als das deutsch-russische Turmbaukollektiv ahnt allerdings der Zuschauer, dass es mit der strategischen Bedeutung dieses entlegenen Funk-Babels nicht allzu weit her sein kann: Moskau ist fern, die Front noch viel ferner – und der Nächste ist jeder sich selbst, im Krieg wie in der Liebe. Schon bald bricht in Polumgla nämlich nicht nur die militärische Disziplin zusammen, auch die Trennlinien zwischen Freund und Feind werden zusehends unscharf: Die Bäuerinnen im Dorf, die den „Fritzen“ erst so feindselig begegneten, weil sie ihnen das Verschwinden ihrer Männer anlasten, suchen sich bald Ersatzmänner unter den Gefangenen.

Zu diesem Zeitpunkt hat der Film in etwa seine Mitte erreicht, die im Gegensatz zum bedrückenden Beginn zart bis brüllend komisch ist. Umso provozierender wirkt der tragische Schluss: Dass die „guten“ Deutschen am Ende brutal von sowjetischen Militärs exekutiert werden, hat dem Film bei seinem Erscheinen in Russland vor zwei Jahren einiges an Kritik eingebracht. Veteranenverbände sprachen von Geschichtsfälschung, der Drehbuchautor Igor Bolgarin (Jahrgang ’29) distanzierte sich gar von der „antirussischen“ Tendenz des Films. Regisseur Artjom Antonow (Jahrgang ’78) dürfte allerdings geahnt haben, dass er mit seinem Debütfilm einen Generationenkonflikt provozieren würde: Der Ikonisierung des „Großen Vaterländischen Krieges“ unter älteren Russen steht bei Antonows Altersgenossen vielfach eine Kriegsskepsis gegenüber, die sich eher aus den Konflikten der nachsowjetischen Ära speist – Tschetschenien an vorderster Stelle.

Bleibt zu hoffen, dass dieser wunderbare Film nicht der letzte ist, den der Rusfilm Verleih hierzulande ins Kino bringt. Gegründet hat ihn der Petersburger Cineast und Filmwissenschaftler Alexander Mamontow, um russischen Produktionen den Weg nach Deutschland zu ebnen. Ein begrüßenswertes Ansinnen, da die materiell wie künstlerisch wiedererstarkte russische Filmlandschaft in Deutschland bislang kaum wahrgenommen wird – im Gegensatz beispielsweise zu Frankreich, wo man den russischen Kinoboom fest im Blick hat. Obwohl doch, wie „Polumgla“ vorführt, im Halbdunkel der deutsch-russischen Geschichte viel engere Bande verborgen sind.

bis Ende Mai täglich im Kino Krokodil, Greifenhagener Straße 32 (OmU).

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