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Kultur: Im Hamsterrad

„Warteraum Zukunft“ im Deutschen Theater

Das gute alte entfremdete Leben ist umgangssprachlich aus der Mode gekommen, seit alle nur noch vom hippen Prekariat reden, dem Elend der Selbstverwirklichung. Aber braucht eine Geschichte über die Hölle des Angestelltendaseins deshalb gar nicht mehr ernst genommen werden? Sitzt einer morgens im Auto auf der Fahrt zur Arbeit und könnte schon beim Verkehrsfunk aus Ekel vor dem Immergleichen kotzen. Nun, warum stellt er das Radio nicht aus? Die Frage sollte man Oliver Klucks preisgekröntem Stück „Warteraum Zukunft“ nicht stellen. Sonst würde der virtuose Erregungsmonolog in sich zusammenstürzen und seinen Motor verlieren: die Wut. Die bekanntlich aus der Ohnmacht erwächst.

Für ein richtiges Hamsterradgefühl müssen die Umstände unveränderlich bleiben: die Arbeit immer gleich langweilig, der Chef herzlos, die Kollegen dumm. Um die Zermürbung des Selbst zu steigern, wird Arbeitstierchen Daniel gleich dreimal von seiner Freundin verlassen. Auch wenn die Analyse des Arbeitsalltags banal ausfällt, so ist Klucks Furor doch dramatisch, und Daniels böser Blick versprüht ein ätzendes Gift.

Mitreißend ist die Inszenierung von Simon Solberg in der Box des Deutschen Theaters schon. Nur böse ist an diesem Klamauk nichts. Von der Hölle blieb ein Höllentempo. Solberg schien den Scherenschnittfiguren nicht zu trauen. Macht nichts, dachte er, mach ich Comic draus. Er lässt Claudia Eisinger, Ole Lagerpusch und Elias Arens in einem Multifunktionsbühnenbild aus Pappkartons ein Kasperletheater für Große durchhetzen. Lagerpusch gibt Daniel als rückgratloses Grinsemännchen, die beiden anderen hechten von einem Figurenklischee ins nächste. Jede Szene wird von kabarettistischem Augenzwinkern begleitet oder durch Zitate aufgemotzt. Mal zuckt ein Arm zum Hitlergruß, mal spielen die beiden Baader und Meinhof. Rasende Unterhaltung, bei der alles andere auf der Strecke bleibt. Andreas Schäfer

Wieder am: 19. 11. (ausverkauft), 20. 11, 14. / 25. 12.

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