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Kultur: Im Käfig des Gehenkten

Kein Auftrumpfen: „Jud Süß“ nach Lion Feuchtwanger im Berliner Theater im Palais

Das Schicksal des Juden Joseph Süß Oppenheimer (1698-1738) ist vielfach künstlerisch gestaltet worden. Wilhelm Hauff erkannte in seiner 1827 erschienenen Novelle zwar den „Fluch“ dieses außerordentlichen Lebens, bestätigte den Judenhass aber zugleich durch die bösartige Zeichnung des Helden. Diesem antisemitischen Grundzug folgte der auf Betreiben der Nazis 1940 von Veit Harlan gedrehte Film mit Heinrich George auf abstoßende Weise. Um mehr Gerechtigkeit gegenüber dem Finanzgenie und Lebemann Oppenheimer hatte sich Lion Feuchtwanger in einem weitgreifenden Roman bemüht, der ebenfalls den Titel „Jud Süß“ trägt und 1925 fast genau einhundert Jahre nach Hauffs Novelle erschien. Aber auch in diesem epischen Meisterwerk ist der Geheime Finanzrat im Dienste des Württemberger Herzogs Carl Alexander kein Held, sondern ein höchst fehlbarer Mensch.

Der Versuch des Theaters im Palais, diesen Roman auf die Bühne zu bringen, setzt also gehörige Kühnheit voraus. Es gilt, ein Geflecht politischer, religiöser, ökonomischer Beziehungen zu entwirren und das Sachlich-Geschichtliche auf Figuren zu bringen, die handelnd ein Schicksal gestalten und erleiden. Barbara Abend, die für Text und Regie verantwortlich zeichnet, gelingt das überzeugend, indem sie harmonische Verknüpfungen zwischen Bericht, Kommentar und Spiel herstellt (heute sowie 18. und 19.11., jeweils 20 Uhr). Die sechs Darsteller beweisen ihr Können in den mannigfachen Übergängen zwischen Figuren und Handlungsebenen. Christine Perthens Bühne ist durch einen Käfig gerahmt, als Verweis auf das eiserne Ungetüm, in dem Oppenheimer hingerichtet wurde. Jens-Uwe Bogadtke spielt die Titelfigur mit bestechender Knappheit und Präzision. Die Mechanismen des Machtkampfs, in denen der Jude rechtswidrig und erbarmungslos ausgeschaltet wird, kommen mit konzentrierter Nachdenklichkeit (Musik und am Klavier Ute Falkenau) und ohne auftrumpfende Botschaft auf die Bühne.

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