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Maria Sid spielt Mutter Disa.

© iFoto: Peter Widing/Memfisfilm/Koolfilm

Im Kino: "Hallo Hallo": Kratzt, aber hält schön warm

Präpubertierende Töchter, Midlife-Krise und ein Nest namens Falun: Die schwedische Familienkomödie „Hallo Hallo“.

Man möchte meinen, als Mutter zweier Kinder, 40 Jahre alt, Krankenschwester, steht eine schwedische Frau mitten im Leben. Nicht so Disa (Maria Sid). Ihre sozialen Beziehungen sind ein einziges Chaos: Die Auszeit, die sie und ihr Mann sich verordnet haben, gilt längst für immer. Bei einem Treffen hofft Disa auf eine Aussprache, doch er verkündet ihr nur die Schwangerschaft seiner neuen Freundin. Auch Disas Kontakt zu den Töchtern könnte weitaus besser sein. Beide Mädchen wohnen beim Vater, das ältere ist sichtlich angewidert von der seelischen und materiellen Situation der Mutter und zeigt das mit der grausamen Direktheit einer Präpubertierenden. Auch die eigenen Eltern sind Disa keine Hilfe. Ungefragt geben sie Ratschläge und kritisieren ohne Unterlass. Wohin kann sich Disa flüchten, wo findet sie Halt? Richtige Freunde hat sie nicht. Und ihre Wohnung? Kein Rückzugsort, sondern Abstellraum für unausgepackte Umzugskartons.

Nichts also kriegt Disa auf die Reihe, bis auf den Job. In ihrer aufopfernden Art ist sie die geborene Krankenpflegerin und bleibt selbst dann ruhig, wenn ihr die Patienten ins Gesicht spucken. Aber wie lange wird ihr diese Selbstbeherrschung noch gelingen?

Prekär lebende Frauenfiguren

Schon in „Zurück nach Dalarna“ (2004), einem Überraschungserfolg in Schweden, beschäftigte sich Regisseurin und Drehbuchautorin Maria Blom mit einer seelisch prekär lebenden Frauenfigur; auch in „Hallo Hallo“ nun widmet sie sich einer Außenseiterin, einem schwarzen Schaf wider Willen. Anrührend und zugleich unsentimental etwa der Blick auf die vereinsamte Protagonistin, wenn sie durchs Fenster die Patchwork-Familienidylle ihres Mannes beobachtet. Dann wieder darf sie sich durchbeißen – oder es zumindest versuchen. Beim Krav-Maga-Kurs wird aus der schüchternen Frau eine heftige Kämpferin, was zugleich komisch, traurig und ermutigend wirkt. Die Schauspielerin Maria Sid stellt die Dissonanzen der Figur wunderbar stimmig dar.

Auch die genretypischen Fettnäpfchen einer Tragikomödie umschifft „Hallo Hallo“ elegant. Natürlich lernt Disa einen kinderlieben Mann mit Dreitagebart (Johan Holmberg) kennen, natürlich wird er ihr Leben verändern, natürlich wird sie ein paar Rückschläge einstecken müssen und am Ende schimmert es am Horizont rosarot – aber alles geschieht doch auf feine Weise anders als üblich. Auch auf wohlfeile Rezepte zur Bewältigung der Midlife-Crisis verzichtet der Film – zumal Disas Krisen keine Altersbeschränkung kennen. Die Unfähigkeit, einen eigenen Standpunkt im Leben zu finden, ist auch manchen 25-Jährigen vertraut, und Disas Gefühl, Chancen verpasst zu haben, wird in den Gesprächen mit einer älteren Patientin gespiegelt.

Provinz-Tristesse mit renaturierter Bergbau-Kulisse

Maria Blom hat ihren nunmehr vierten Spielfilm in der gleichen Region wie ihren Erstling angesiedelt. Tristesse einer Provinzstadt, Vorgarten-Nazis, aufdringliche Nachbarn und der renaturierte Bergbau als Walkingstrecke: Für Disas Talfahrt bietet das Nest namens Falun die perfekte Kulisse. Mögen Sie diese skandinavischen Wollpullover, kratzig, aber wärmend? Genau so ist „Hallo Hallo“: Passt perfekt, wenn der Winter beginnt.

Filmkunst 66, FT am Friedrichshain, Toni und Tonino, Yorck und New Yorck, OmU: Kino in der Kulturbrauerei

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