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Ski und Rodel fein. Almöhi (Bruno Ganz) und Heidi (Anuk Steffen) sind das Traumpaar der Bündner Alpen – seit 1880, als Johanna Spyris Romanvorlage entstand.

© Studiocanal

Im Kino: "Heidi": Mein Öhi und ich

Frisch, fromm, fröhlich, frei: Alain Gsponer hat den Kinderbuchklassiker „Heidi“ neu verfilmt – mit Bruno Ganz und Katharina Schüttler.

Heidi, deine Welt sind die Beherge, Heidi, denn da oben bist du zu Haus! Unglaublich, was für Verwüstungen Gitti und Erika in den siebziger Jahren mit dem Titelsong der japanischen Zeichentrickserie im Gedächtnis einer ganzen Generation angerichtet haben. Kaum fällt der Name der Schweizer Nationalikone, erscheint im Geist der Gassenhauer und dann erst die Erinnerung an Johanna Spyris um 1880 erschienene Romane „Heidis Lehr- und Wanderjahre“ und „Heidi kann brauchen, was es gelernt hat“. Darin geißelt Spyri die schwarze Pädagogik jener Zeit und setzt gegen die Enge und Bedrückung der zusehends industrialisierten Stadt das romantische Bild eines Natur- und Kindheitsparadieses namens Graubündner Alpen.

Daran hält sich auch der Grimmepreis-prämierte Regisseur Alain Gsponer („Das kleine Gespenst“) in der zwölften Kinoverfilmung des weltweit populären Stoffes, der neben diversen Zeichentrickserien und Comics auch Realfilmserien und sogar ein Musical füllt. Allerdings scheut er sich nicht, neben dem prachtvollen Panorama oberhalb des als „Heidi-Dorf“ bekannten Ortes Latsch im Albulatal auch die sozialen Härten des Berglebens zu zeigen. „Um Gottes willen, der Almöhi, der ist ein gottloser Menschenhasser!“, tuscheln grauwangige Dörfler, als Tante Dete das Waisenkind Heidi aus dem schlammigen Hungerdorf zu dessen Großvater bugsiert. Und getötet soll der Öhi einen haben! Da wird der Outlaw das Kind ja wohl mindestens zum Frühstück fressen.

Heidis Zärtlichkeit erobert sein verschrumpeltes Herz

Das von Anuk Steffen frisch, fromm, fröhlich, frei gespielte Mädchen ficht das nicht an. Sie liebt die Berge, weil sie schön sind. Sie will den Großvater lieben, weil er der Großvater ist. So einfach ist das. Auf dem Anstieg zum Almöhi pellt sie eine Lage zwickender Kleidung nach der anderen ab und hüpft dem alten Griesgram barfüßig und im weißen Unterrock als Sinnbild reiner Unschuld entgegen. Der rauschebärtige Einsiedler haut ihr trotzdem die Hüttentür vor der Nase zu, aber allmählich erobert Heidis beharrliche Zärtlichkeit sein verschrumpeltes Herz. Und als die Kleine dann im Geissenpeter (schön bockig: Quirin Agrippi), einem notorischen Bildungsverweigerer, noch einen Spielkameraden findet, ist das Paradies aus Milch, Käse und Bündner Fleisch perfekt.

Das gilt, bis Tante Dete zurückkommt, um Heidi als Spielgefährtin für die gelähmte Klara, das arme reiche Mädchen, nach Frankfurt am Main in ein herrschaftliches Haus zu verfrachten. Dort muss sich Heidi der strengen Zucht von Katharina Schüttler in der Rolle der Gouvernante Fräulein Rottenmeier fügen, der einzig die vollbusige Herzenswärme von Hannelore Hoger als Großmama Sesemann und der Witz von Peter Lohmeyer als Diener Sebastian entgegenstehen.

Schön zu sehen, wie Schüttler dem Hassobjekt Rottenmeier menschliche Züge verleiht, bevor sie sie mittels einer Slapstickeinlage zu Rottenmeiers Katzenallergie doch dem wohlfeilen Gelächter über altjüngferliche Hysterie preisgibt. Wirklich wunderbar ist Bruno Ganz als unbeugsamer Almöhi. Wortkarg, wie es sich gehört, aber trotz altersgebeugter Gestalt von einer gesunden physischen Präsenz, wie man sie bei diesem Zögerer und Zweifler seit Gott weiß wann nicht gesehen hat. Er gibt der liebevoll amodischen, kein bisschen piefigen und ausgesprochen maßvoll pathetischen Klassikeradaption eine erdige Rauheit Marke Neuer Heimatfilm. Genau die braucht eine Neuverfilmung des Dramas eines umhergeschubsten Waisenkindes aus dem 19. Jahrhundert heute. Sonst wäre Alain Gsponers „Heidi“ reines Zitat, reine Folklore. Und nicht diese warmherzige Familien- und Freundschaftsgeschichte.

"Heidi" läuft in 21 Berliner Kinos

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