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Serientäterin. Milla Jovovich spielt seit 15 Jahren die Zombiebekämpferin Alice.

© Constantin

Im Kino: „Resident Evil: The Final Chapter“: Die Apokalypse als Abenteuerspielplatz

Spektakuläre Schießereien und philosophische Reflektionen: Mit „Resident Evil: The Final Chapter“ beendet Regisseur Paul W.S. Anderson seine populäre Filmserie zum Videospiel.

„Es kommt mir vor, als ob mein ganzes Leben aus Weglaufen und Töten besteht“, sagt Alice (Milla Jovovich) einmal in „Resident Evil: The Final Chapter“ zwischen zwei Kämpfen mit Zombies – und beschreibt damit nicht nur treffend den Abschlussfilm der Reihe, sondern auch gleich deren Prinzip. Mit sechs Teilen ist „Resident Evil“ das erfolgreichste Kino-Franchise eines Computerspiels; so erfolgreich, dass die Produzenten, kaum hat die Reihe ein Ende gefunden, gerade ein Reboot angekündigt haben. Alice’ Bemerkung ist auch eher untypisch, denn augenzwinkernde Selbstreflexivität ist nicht angesagt im „Resident Evil“-Universum. Im Gegenteil bestechen die Filme durch eine unironische Konzentration auf alles, was gutes Action-Kino auszeichnet: Verfolgungsjagden, einfallsreiche Spezialeffekte und präzise choreografierte Kampfszenen, in denen groteske Bösewichte von der perfekt gestylten Heldin nach allen Regeln der Kunst eliminiert werden.

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Wenn derzeit allseits „Wonder Woman“ als feministische Errungenschaft gefeiert wird, sollte man noch einmal daran erinnern, dass weibliche Hauptfiguren in Actionfilmen keineswegs so selten sind, wie es im testosterongetränkten DC-Universum den Anschein hat. Die „Resident Evil“-Filme sind dafür ein besonders schlagkräftiges Beispiel: Nicht nur ist Jovovichs Alice, die – ähnlich wie die männlichen Killer in den klassischen John-Woo-Filmen – mit Vorliebe beidhändig schießt, der Dreh- und Angelpunkt der Serie, auch an ihrer Seite kämpfen meistens Frauen. In „The Final Chapter“ sticht insbesondere Ali Larter als rothaarige Kampfmaschine Redfield hervor. Ihre Widersacher von der allmächtigen Umbrella Corporation sind dagegen weitgehend männlich. Um diese im Actionkino nach wie vor ungewöhnliche Rollenverteilung machen die Filme kein großes Aufheben, vielleicht war gerade diese Selbstverständlichkeit von Beginn an das Bahnbrechende an „Resident Evil“.

Aus der Taufe gehoben wurde die Reihe 2002 vom englischen Regisseur Paul W. S. Anderson, der bereits 1995 mit Mortal Kombat eine der ersten Computerspieladaptionen vorgelegt hatte. Finanziert wurde der erste Film von Bernd Eichinger, der sich möglicherweise nach Abwechslung von Historiendramen und Literaturverfilmungen sehnte. Tatsächlich gibt es bis heute kaum ein Genre, das bei der seriösen Kritik einen so schwereren Stand hat wie Computerspielverfilmungen. Lange litten die Filme unter dem schlechten Ruf von „Ballerspielen“. Dass Computerspiele heute als eigenständige Kunstform anerkannt sind, war 2002 noch nicht abzusehen.

Die Filme orientieren sich an unterschiedlichen Leveln eines Games

Aber auch die Gamer-Gemeinde ließ anfangs an „Resident Evil“ kein gutes Haar: Die Filme hätten nichts mit der durchaus komplexen Handlung des Spiels zu tun und an die düstere Stimmung der Computerspiele reichten sie auch nicht heran. Unter den Tisch fällt dabei, dass werkgetreue Adaptionen selten filmisch funktionieren; unzählige dröge Literaturverfilmungen aus der Kinogeschichte legen davon bleiernes Zeugnis ab. Doch ganz abgesehen davon gelingt es der Resident-Evil-Reihe besser als den meisten Spiel-Adaptionen, sich die Struktur und Ästhetik des Mediums anzueignen.

Wie in den besten Games ist die Grundkonstellation von „Resident Evil“ so simpel wie effektiv: Auf der einen Seite steht die Umbrella Corporation, die einen Großteil der Menschheit mit Hilfe eines tödlichen Virus in Zombies verwandelt hat. Alice und ihre Helferinnen stellen sich dem drohenden Weltuntergang entgegen. Die einzelnen Filme orientieren sich weniger an Kapiteln einer linearen Geschichte, als an den unterschiedlichen Levels eines Games, die Alice bis zum nächsten Endgegner durcharbeiten muss.

Die Zombies sind blitzschnelle Kampfmaschinen

Auch visuell orientieren sich die Filme eher am Look zeitgenössischer Computerspiele. Der Weltuntergang sieht bei Anderson wie ein furchterregender, aber abwechslungsreicher Abenteuerspielplatz aus. Auch die Zombies haben nur noch wenig mit den bemitleidenswerten Kreaturen aus den Filmen George Romeros zu tun. Bei Anderson sind sie blitzschnelle Kampfmaschinen

Ein wiederkehrendes Motiv der Filme, das auch zum Abschluss in „The Final Chapter“ noch einmal auftaucht, sind die weit verzweigten Tunnelsysteme. In fast jedem „Resident Evil“-Film jagt Alice durch klaustrophobische Gänge, hinter jeder Ecke lauern tödliche Fallen und fantasievoll designte Monster.

Dieser einfache Aufbau hilft dabei, dass man als Zuschauer, anders als im zeitgenössischen Actionkino üblich, stets den Überblick behält: Man weiß selbst in den wildesten Kampfhandlungen jederzeit, wo sich Alice und ihre Mitstreiterinnen befinden. Perfekt passt dazu Andersons vorbildlicher Umgang mit der 3D-Technik, die seit „Resident Evil: Extinction“ von 2010 zur Grundausstattung der Reihe gehört. Statt alle paar Minuten willkürlich Gegenstände in Richtung Publikum zu schleudern, entwirft er komplexe Bewegungschoreografien im dreidimensionalen Raum, die gelegentlich an museumsreife Kunstinstallationen erinnern.

Verunsicherung ist ein Prinzip der Reihe

Das übersichtliche Setting der Filme bietet außerdem erstaunliche Variationsmöglichkeiten. In „Resident Evil: Retribution“ von 2012, dem erzählerisch komplexesten Teil, findet sich die Hauptfigur plötzlich in einer pittoresken Kleinstadt an der Seite von Mann und Kind wieder. Die bürgerliche Idylle stellt sich allerdings als eine von der Umbrella-Corporation ersonnene Simulation heraus. Alice ist ihre Gefangene. Verunsicherung ist ein wesentliches Prinzip der Reihe. In „The Final Chapter“ muss sich Alice außer mit der Umbrella Corporation auch noch mit zwei genetisch optimierten Doppelgängerinnen herumschlagen.

Solche hintersinnigen Konstruktionen verweisen auf die besondere Qualität nicht nur der Resident-Evil-Reihe, sondern auch des Gesamtwerks von Anderson, der sich über die Jahre als eigenwilliger Autorenfilmer um das Genrekino verdient gemacht hat – weitgehend unbemerkt von der Kritik und sozusagen im Schatten der Blockbuster-Industrie. Anderson hat sich so konsequent wie kaum ein zweiter Filmemacher seiner Generation dem robusten Genrekino der mittleren Budgetklasse verschrieben. Vielleicht auch als Reaktion darauf, dass 1997 sein aufwendiges Science-Fiction-Spektakel „Event Horizon“ – sein einziger Versuch, in die prestigeträchtigen Gefilde Hollywoods vorzustoßen – an den Kinokassen gefloppt war.

Anderson behandelt Identität und Sterblichkeit in seinen Filmen

Mit dem im besten Sinne altmodischen Sandalenfilm „Pompeji“ (2014) oder der fantasievoll gestalteten Dumas-Reprise „Die drei Musketiere“ (2011) besinnt er sich heute wieder auf seine Stärken. In seinen effizienten kleinen Genrefilmen arbeiten er sich an großen Themen wie Identität und Sterblichkeit ab, ohne sich des bombastischen Pathos’ etwa eines Christopher Nolan zu bedienen. Andersons Ansatz ist ökonomischer, er geht mit großen Ideen nicht hausieren, sondern handelt sie nebenbei ab: nonchalant zwischen zwei spektakulären Schießereien.

Auf DVD und BluRay (Constantin).

Lukas Foerster

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