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UN-Botschafterin. Angelina Jolie stellte auf der Berlinale ihr Bosnien-Drama „In The Land of Blood and Honey“ vor. Foto: Reuters

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Kultur: Im Land der Särge

Angelina Jolie besucht das Filmfest in Sarajevo.

Sie hat ein gutes Gespür für Timing. Deshalb legte Angelina Jolie ihre Ankunft auf dem Filmfestival von Sarajevo nicht auf dessen ersten Tag, sondern schwebte ganz unspektakulär erst am zweiten mit dem Privatjet ein. So stahl sie der Kollegin Aida Begic nicht die Show, die mit ihrem Film „Djeca – Children of Sarajevo“ den Wettbewerb eröffnete und am Abend mit ihrem Team auf dem rotem Teppich vor dem Nationaltheater gefeiert wurde.

Für einigen Wirbel sorgte die Oscarpreisträgerin, die mit drei ihrer Kinder in die Stadt kam, dann aber doch noch am Samstag, als sie die Auftaktvorlesung des Talent Campus hielt und die Ehrenbürgerwürde von Sarajevo entgegennahm. Jolie betonte einmal mehr, wie sehr sie die Stadt, die Menschen und das Festival liebt. Man nimmt ihr das ab. Denn dieser Besuch zeigt, dass es ihr wirklich ernst ist mit dem Engagement für Bosnien – und zwar weit über die Dreharbeiten und die Werbung für ihr im bosnisch-serbischen Krieg angesiedeltes Regiedebüt „In The Land of Blood and Honey“ hinaus. In diesem Liebesdrama prangert sie leider auf eine etwas überplakative Weise die serbische Aggression und die Untätigkeit des Westens an.

Wie wichtig Angelina Jolie das Thema immer noch ist, offenbart sich nun auch darin, dass sie am 17. Jahrestag des Massakers von Srebrenica noch in Bosnien sein wird. Wahrscheinlich – so spekuliert die lokale Presse – wird sie sogar an den Feierlichkeiten auf dem Gedenkfriedhof von Potocari vor den Toren der Stadt teilnehmen. Dort werden die erst jetzt identifizierten, aus Massengräbern geborgenen sterblichen Überreste von 520 der mehr als 8000 muslimischen Opfer beigesetzt. Es sind in diesem Jahr viele Kinder darunter. Die lange Kolonne der Särge ist ein jeden Sommer wiederkehrendes schmerzhaftes Bild für die Menschen von Bosnien und Herzegowina, wo schon seit Tagen an das Gemetzel in der damaligen UN- Schutzzone erinnert wird.

Das Filmfestival setzt seinen Wettbewerb am heutigen Mittwoch aus und zeigt Spezialprogramme zum Thema Menschenrechte. Prominente bosnische Filmschaffende wie Jasmila Zbanic und Danis Tanovic kommen zu einer Podiumsdiskussion. Vielleicht entscheidet sich die UN-Menschenrechtsbotschafterin Jolie ja auch, bei ihnen vorbeizuschauen. Ihre Anwesenheit im Land wird so oder so dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der internationalen Medien für Srebrenica in diesem Jahr zu erhöhen. Und das ist absolut begrüßenswert. Alle Redner werden wieder betonen, dass sich etwas wie Srebrenica niemals wiederholen darf. Ein Blick nach Syrien zeigt, wie brennend aktuell diese Mahnung ist – gerade auch an die UN, deren niederländisches Blauhelm-Kontingent das von bosnischen Serben verübte Massaker nicht verhinderte. Nadine Lange

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