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Kultur: Im Luftschutzkeller

Der Reichsbahnbunker, einst Warenlager und Techno-Club, wird zur Kunsthalle umgebaut. Eine Ausstellung erprobt den neuen Standort

„Die Zeit ist reif" verkünden hier, unweit des Berliner Hauptquartiers der FDP, die Plakate mit dem Konterfei Guido Westerwelles von jedem Laternenmast. Etwas in der Art muss sich auch Peter Sauter gedacht haben, als er den Hochbunker schräg gegenüber des Deutschen Theaters gekauft hat. Sauter, Chef der Nippon Development Corporation (NDC), baut normalerweise Büros und Wohnungen, renoviert auch mal ein Baudenkmal, wie derzeit das Eckhaus am Hackeschen Markt. Zu den massiv aufgetürmten Betongebirgen des 1942 unter Albert Speer gebauten „Reichsbahnbunkers", in dem zu DDR-Zeiten die Weihnachts-Bananen ihre letzte Reife erhielten, hat ihn das Potenzial des Ortes und die Bekanntschaft mit Johann Nowak gebracht.

Nowak, der mit seiner „aktionsgalerie" Sauters Mieter am Hakeschen Markt war, organisierte von 1997 bis 2000 jährlich die Gruppenausstellung „und ab die Post" im Postfuhramt an der Oranienburger Straße – zuletzt mit 30 000 Besuchern. Die Deutsche Post hat das wenig beeindruckt, und so musste sich Nowak nach neuen Räumlichkeiten für sein „Festival Neuer Kunst" umsehen. Mit seiner aktuellen Schau „insideout" gastiert er nun im Bunker, bevor dieser zu einer Kunsthalle umgebaut wird. Sauter, der gleich nebenan noch ein Bürohaus bauen wird, kalkuliert mit Plus-Minus-Null. Für ihn überwiegt der Imagewert des Unternehmens: „Wir können in Berlin als Developer nichts werden, wenn wir die kreativen Stärken der Stadt nicht klarer herausarbeiten."

Die Architekten Annette Axthelm und Roland Frinken suchen dem morbiden Charme meterdicker Betonwände mit einer raffinierten Stapelung gegeneinander versetzter Ausstellungsebenen beizukommen. Um den einst für 2000 Schutzsuchende konzipierten Bau handhabbar zu machen, soll sein labyrinthisches Innenleben „geöffnet", also entkernt werden. Das wird vielleicht all diejenigen betrüben, die die klaustrophobische Enge des bis 1995 hier residierenden Techno-Clubs „Bunker" geschätzt haben. Der Berliner Denkmalpflege wurde der innere Teilabriss mit der Zusage, die mit Einschusslöchern garnierte brachialklassizistische Außenhülle unangetastet zu lassen, versüßt.

„insideout", was Nowak mit Unterstützung der Kuratorinnen Simona Mehnert und Eva Scharrer initiierte, zeigt 18 Positionen aus Berlin, Prag und New York, ohne so recht Kapital aus den verschiedenen künstlerischen Produktionsbedingungen zu schlagen. Leicht haben es die Künstler mit ihren 2,30 Meter niedrigen Buchten ohnehin nicht. Am ehesten überzeugt, wer das Geviert zum Teil des Werks erklärt. Wie etwa Franz Johns herausragende Installation „Turing Tables", in der sich die in Echtzeit über die Wände laufenden Daten registrierter Erdbeben, das Grollen und Vibrieren aus im Raum verteilten Sitzblöcken und der Schatten des Betrachters zu einem irritierenden tableau vivant der Geschichte wie der digitalen Gegenwart verbinden. Michael Zajonz

Bunker Reinhardtstraße/Ecke Albrechtstraße, bis 20.10., So-Do 11 bis 21 Uhr, Fr/Sa bis 24 Uhr. Der Katalog kostet 15 Euro.

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