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Kultur: Im Panorama geht es um Familien, Dreiecksgeschichten und den Wunsch, es Greta Garbo gleich zu tun

Man kann es drehen, wie man will - irgendwann holt einen die Familie doch wieder ein. Eine Möglichkeit ist, das Beste draus zu machen wie im Panorama-Beitrag Chutney Popcorn.

Von Susanna Nieder

Man kann es drehen, wie man will - irgendwann holt einen die Familie doch wieder ein. Eine Möglichkeit ist, das Beste draus zu machen wie im Panorama-Beitrag Chutney Popcorn. Dort bekommt eine New Yorker Lesbe ein Kind von ihrem Schwager, weil ihre Schwester nicht schwanger werden kann. Die Situation wird dadurch nicht einfacher, dass die indische Mutter der beiden Schwestern versucht, Traditionen aufrecht zu erhalten, die sich schlecht mit dem Leben ihrer Töchter vereinbaren lassen.

In der englisch-französischen Produktion Hotel Splendide wird anders mit der Familie verfahren. Die komisch-düstere Ordnung eines verwitterten Grand Hotels, dessen Bewohner streng nach den Weisungen der unlängst verstorbenen Haus- und Familienchefin leben, kommt ins Wanken, als Kath auftaucht. Der Machtkampf zwischen der lebenssprühenden jungen Frau und der toten Matriarchin erschüttert das Hotel bis in die Grundfesten. Der Besetzung mit Toni Colette, Daniel Craig (bekannt aus Love Is The Devil", wo er Francis Bacons Geliebten spielte) und dem Mike-Leigh-Star Katrin Cartlidge nach zu urteilen, könnte dieser Film zu einem Panorama-Highlight werden.

Die Familie spielt auch im irischen Saltwater die Hauptrolle, wo Vater (Brian Cox), Söhne und der Fish & Chips-Laden einer italo-irischen Familie nach dem Tod der Mutter sich selbst überlassen sind. Eine ganz andere Form von Familienstruktur zeigt der usbekische Volz, in dem ein Mann mit drei Ehefrauen für die weibliche Emanzipation eintritt und so die eigene Familie in Frage stellt.

17 der insgesamt 39 Spielfilme im Panorama sind einem historischen Thema gwidmet. Glamour (Ungarn) beispielsweise zeichnet das Porträt einer jüdischen Familie über fast 100 Jahre, während der isländische Myrkahöfdinginn (Hexerei) vom Schicksal eines Pastors im 17. Jahrhundert handelt, der sich gegen die Mächte des Satans zur Wehr setzen muss.

Natürlich werden im Panorama nicht nur historische und Familienthemen zu sehen sein. Jubaku (Spellbound), einer von zwei japanischen Beiträgen, mit Koji Yakusho (dem Hauptdarsteller aus Shall We Dance?") in einer der Hauptrollen, ist ein business panic movie", inspiriert von einem Bankskandal von 1987. Der andere japanische Beitrag, Boku no ojisan (The Crossing) ist eine Auseinandersetzung mit einer vaterlosen Gesellschaft, der die Leitbilder verloren gegangen sind. Im Falle Japans hat das unter anderem zur Folge, dass der enorme psychologische Druck, den Firmen auf Mitarbeiter ausüben, als normal empfunden wird. Der 29jährige Koji befindet sich in einem Zustand des Festhaltens", kurz vor der Grenze zum Verrücktwerden. Um das Leiden an den Freiheiten einer liberalen Zeit geht es auch im französischen Beitrag Extension du domaine de la lutte von Philippe Harel.

Stark vertreten ist diesem Jahr Deutschland mit fünf Produktionen. Das Schwergewicht unter ihnen stellt Matthias Glasner mit Fandango; Nicolette Krebitz, Moritz Bleibtreu, Richy Müller und Corinna Harfouch sind für deutsche Verhältnisse ein veritables Staraufgebot. Das Thema des Films ist die Leere der Nachtclub- und Designerdrogenwelt. Die Kamera führte Sonja Rom, die bereits für ihre Arbeit in Oskar Roehlers "Gierig" (Panorama 1999) hochgelobt wurde. Verdammt in alle Eitelkeit von Lothar Lambert mit Eva Ebner basiert auf der Geschichte der Berlinerin Sylvia Heidemann, die ihr Wiedergutmachungsgeld für die KZ-Haft jahrzehntelang sparte, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen: einmal Filmstar sein wie Greta Garbo. Als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur legt Jochen Hicks seinen in San Francisco gedrehten Erstling No One Sleeps vor. In dem Thriller forscht ein Medizinstudent aus Ostdeutschland nach Hinweisen auf eine künstliche Herstellung und Ver-breitung des AIDS-Virus. Chill Out von Andreas Struck (ebenfalls ein Erstling) und Zurück auf Los von Pierre Sanoussi-Bliss sind Berlin-Filme (die heutzutage nicht mehr in Kreuzberg, sondern in Prenzlauer Berg spielen), Dreiecksgeschichten, der eine aus der Sicht eines Wessis, der andere aus der eines Ossis.

Was Dreiecksgeschichten angeht, ist das Panorama in diesem Jahr überhaupt recht üppig ausgestattet. Der spanische Asfalto, Tempting Heart (Hongkong) und Segunda Piel (ein weiterer Highlight-Anwärter mit Javier Bardem und der Gewinnerin des Europäischen Filmpreises 1999, Cecilia Roth) handeln ebenfalls von diesem Thema. Der iranische One More Day dagegen ist ein Kammerspiel, in dem zwei Liebende kommunizieren, ohne sich nahe kommen zu dürfen.

Aus Osteuropa kommen in diesem Jahr immerhin sechs Beiträge. Der russische Vorosilovskij Strelok (Der Voroschilov-Schütze), in Russland ein Kassenknüller, erzählt die Geschichte eines Mannes, der zur Selbstjustiz greift, als er feststellen muss, dass die Behörden die Vergewaltigung seiner Enkeltochter nicht aufklären. Interessant könnte außerdem der kanadische The Life Before This von Jerry Ciccoritti werden, eine rückwärts erzählte Geschichte mit dem Iren Stephen Rea in einer der Hauptrollen.

Aus den 13 Dokumentarfilmen sticht vor allem einer hervor: Paragraph 175 von Rob Epstein und Jeffrey Friedman (The Celluloid Closet"). Das Thema ist das Schicksal Homosexueller in den nationalsozialistischen KZs. Außerdem ist OscarPreisträger Pepe Danquart dabei mit Eisbären, einem Film über den Ost-Berliner Eishockeyclub.

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