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Kultur: Im Paradies der Bilder

Der Kunsthistoriker Werner Hofmann ist tot.

Seine runden Geburtstage boten niemals nur Anlass zum Rückblick, sondern waren immer auch Ausblick auf Kommendes. Werner Hofmann war einer der Produktivsten unter den deutschen Kunsthistorikern deutscher Sprache – war, wie die Museumswelt mit Bestürzung erfahren musste, denn am Mittwoch ist der gebürtige Wiener 84-jährig in Hamburg verstorben. Nichts hatte auf eine Erkrankung hingedeutet.

Werner Hofmann hat die Museumsszene in zwei Städten geprägt, in seiner Vaterstadt Wien und in seiner Wahlheimat Hamburg. Nach dem Studium in Wien und Paris und einer ersten Anstellung in der Grafischen Sammlung Albertina eröffnete er 1962 das Museum des 20. Jahrhunderts im Schweizer Garten. Dessen ursprünglich für die Brüsseler Weltausstellung von 1958 geschaffener, demontierbarer Stahl- Glas-Pavillon wurde erst im vergangenen Jahr nach langer Vernachlässigung wieder hergestellt. Mit dem Museum des 20. Jahrhunderts und der zugehörigen, von Hofmann in kurzer Zeit aufgebauten Sammlung gelangte Wien endlich wieder auf die Landkarte der Gegenwartskunst. In Hamburg, wo er von 1969 bis 1990 das Kunsthalle genannte Museum der Stadt leitete, machte er mit seiner Ausstellungsreihe „Kunst um 1800“ Furore, deren sensationell erfolgreicher Auftakt 1974 Caspar David Friedrich ins öffentliche Bewusstsein zurückrief und deren Folgeveranstaltungen mit dem ganzen Spektrum der europäischen Epoche der Romantik bekannt machten.

Stets war bei Hofmann Ausstellen mit Forschen eng verknüpft. Jeder seiner Kataloge wurde ein Meilenstein der kunsthistorischen Forschung, und als er die Bürde des Museumsamtes los war, legte Hofmann erst recht los und veröffentlichte Buch um Buch zu ungelösten Problemen seines Faches. „Das entzweite Jahrhundert“ hieß seine magistrale Studie über die Kunst zwischen 1750 und 1830, die die Summe zog aus den vorangegangen Ausstellungen der Kunsthalle. Damit war ein Bogen geschlagen zu seinem sensationellen Erstling, dem 1960 erschienenen Buch über „Motive und Ideen des 19. Jahrhunderts“, dessen Haupttitel „Das irdische Paradies“ geradezu zum geflügelten Begriff wurde. Kunst war für Hofmann immer Bedeutungsträger, sei diese intentional vom Künstler angelegt oder dem Werk aus den gesellschaftlichen Verhältnissen zugewachsen.

Auf diesem gesicherten Fundament konnte Hofmann dann „Die Moderne im Rückspiegel“ betrachten, wie sein Buch von 1998 hieß, mit dem er erneut die etablierte Ansicht über den Gang der Kunstentwicklung zur Diskussion stellte. Umfangreiche Monografien zu Degas, C.D. Friedrich und Goya folgten, zuletzt noch ein knappes, geistvolles Büchlein über „Das Atelier. Courbets Jahrhundertbild“, diesem Riesenrätsel, das Hofmann zeitlebens beschäftigt hat. Das mehrfache Akademiemitglied Hofmann, wienerisch-verbindlich im Tonfall, französisch in der clarté seiner Gedanken, deutsch – wenn man so will – in der unbedingten Disziplin seiner Arbeit, hinterlässt eine Lücke, die zu schließen niemand in Sicht ist. Bernhard Schulz

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