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Kultur: Im Schatten einer Frau

CHANSON

Man kann es Jean-Jacques Schuhl nicht verdenken, dass er sie zur Hauptfigur seines Romans gemacht hat. Ingrid Caven , Schauspielerin, Chansonsängerin, Fassbinder-Gefährtin für zwei kurze, heftige Jahre, ist eine Kunstfigur: Lady in Black, schlank, energisch, wandelbar, mit aufgetürmtem blonden Haar, auch heute noch, mit über 60 Jahren. Man kann es ihr nicht verdenken, dass sie die Schuhl-Figur wieder auf der Bühne verkörpern wollte: Als große Ingrid-Caven-Oper, als Solo für eine Ausnahmefrau, als Hommage an sich selbst.

Pierre Henry, Mitbegründer der „musique concrète“ und seit einigen Jahren als Vorreiter des Techno wiederentdeckt, hat die Musik geschrieben für einen Parcours, der die Caven entlang der Texte von Schuhl durch ihr Leben führt: Das kleine Mädchen, das vor Wehrmachtssoldaten „Stille Nacht, heilige Nacht“ singt, die Heimatstadt Saarbrücken in Trümmern, die Begegnung mit Fassbinder. Erinnerungsfetzten, die wie ein schlecht eingestellter Radiosender von Programm zu Programm springen. Der Abend, eine Koproduktion des Bayerischen Rundfunks und der Berliner Festspiele, beendet die diesjährige „MaerzMusik“ . Und wieder ist die Tücke der großen Bühne im Haus der Berliner Festspiele zu spüren, mit der auch Ingrid Caven ringt: Sie tigert durch den weiten, vom Maler Salome in abwechselnd roten, blauen und gelben Spots gefällig ausgeleuchteten Raum. Ist mal Sirene, räkelnd auf einem Podest, mal Bianca Castelfiore, die unerträgliche Diva aus „Tim und Struppi“. Schwingt lasziv die Hüfte, rafft den Rock. Sie spielt sich die Seele aus dem Leib – und findet doch nicht zu sich. Einen „weißen Fleck auf der Landkarte, eine unerforschte, namenlose, sogar unbenennbare Gegend oder eine dunkle Zone im Gehirn, die man nicht eingestehen kann“, hat sie als titelgebende „Schattenzone“ beschworen. Im Schatten, unerkannt, bleibt Ingrid Caven.

Christina Tilmann

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