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Kultur: Im Schatten junger Männerblüte

Eine Doppelausstellung des Malers Anton Henning in zwei Berliner Galerien

Es gibt Künstler, die zur Kritik geradezu einladen. Der Maler Anton Henning ist so ein Fall: Die Freundlichkeit seiner Farben, die konzeptuelle Buntheit seiner Zyklen sowie das unbekümmerte Draufloszitieren kreuz und quer durch die Geschichte der Malerei – alle diese Faktoren führen dazu, dass Henning jedes Malerklischee bedient: Machismo und Geschichtsvergessenheit, Nostalgie und Dekorativität – alles ist vorhanden in dieser heiteren Malerei, die das Sentiment bedient und beim Ressentiment ankommt.

Doch das Sommergewitter an Vorwürfen gipfelt in dem Donner der Einsicht, dass es sich hier um ein durch und durch restauratives Werk handelt. Und um ein Werk handelt es sich längst bei dem knapp Vierzigjährigen, der mittlerweile bei Bildtiteln wie „Pin-Up No 72“ (7100 Euro) oder „Interieur No 207“ (2800 Euro) angekommen ist. Titel wie diese sagen bereits, was ein Titel wie „Abendlied“ (3000 Euro) vorwegnimmt: Nämlich dass es hier um Neoromantik hundert Jahre nach Hermann Hesse geht.

Der fröhliche Pleinairismus Hennings mit all seinen Landschaften und Historien, den zwitschernden Vögeln und den Männern im Sonnenuntergang ist ernst gemeint – darüber können auch keine Verweise auf Dekonstruktion und Intertextualität, auf kulturelles Gedächtnis oder Appropriation hinwegtäuschen, wie einige der konzeptuellen Phrasen lauten, mit denen man versucht, Henning theoretisch aufzupeppen. Diese defensiven Gesten sind um so umständlicher, als man es mit einem der erfolgreichsten Berliner Maler zu tun hat – schon was den Vertrieb anbelangt. Die meisten der Bilder waren bereits am Eröffnungsabend verkauft, trotz Preisen bis zu 19 000 Euro.

Auf den ersten Blick könnte man das Ereignis einer Anton-Henning-Doppelausstellung im Frühsommer des Jahres 2003 als Nachhut jenes schwarz-rot-goldenen Malereibooms lesen, der Anfang des Jahres mit einigem Erfolg die Geburt einer neuen deutschen Malerei aus dem Kollaps der New Economy feierte. Dabei muss man nicht erst die Titel der Parallelaktion der Berliner Galerien „Sommertagstraum“ (Galerie Wohnmaschine) und „Salon“ (Galerie Arndt & Partner) herbeizitieren, um zu sehen, dass dem nicht so ist. Schließlich bietet Henning keine Fortsetzung, sondern eine Parodie der „appropriation art“. Er ist eher der Helge Schneider und weniger der Schlingensief der neuen deutschen Malerei – gerade als solcher ist er jedoch doppelt interessant.

Denn in der Malerei von Anton Henning konvergiert ein nostalgisches Geschichtsverlangen mit der Sehnsucht nach einer neuen Großkunst von Malerfürsten und Liebermännern, die an Akademien an Brandenburger Toren noch einmal die Welt in Atem halten. Darin ist sie ebenso großartig wie auf beste Weise auch zweitklassig, jedenfalls aber höchst professionell. Verwandt ist sie darin den unzähligen Seriendramen, die seit den neunziger Jahren vorzugsweise in Schlössern und Gärten der neuen Länder spielen, wo man sich ungeniert auf den blinden Flecken der Geschichte tummelt. Kurz: in der Malerei Hennings artikuliert sich am Ende doch dieselbe regressive Enthemmung, die auch dem neuen deutschen Malereiboom innewohnt. Dabei liefert Henning der Kritik nicht nur eine Einladung – er nimmt ihr letzten Endes sogar das Wort aus dem Mund. Die Ausstellung im Kunstmuseum Luzern, die zeitgleich zu den Berliner Schauen zu sehen ist, hat er mit „Ziemlich schöne Malereien“ betitelt. Das kann Kritik besser kaum sagen.

Galerie Wohnmaschine, Tucholskystraße 35, bis 6. Juli; Dienstag bis Sonnabend 11–18 Uhr. Galerie Arndt & Partner, Zimmerstraße 90-91, bis 31. Juli; Dienstag bis Sonnabend 11–18 Uhr.

Knut Ebeling

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