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Kultur: Im Schmelztiegel

Jörg Maaß zeigt „American Photography“

Abbott, Arbus, Bourke-White, Leibovitz, Sherman – die Liste der in der Ausstellung „American Photography“ bei Jörg Maaß vertretenen Kamerakünstler umfasst nicht allein bekannte Namen, sondern vor allem bekannte weibliche Namen. Und auch weniger vertraute, wie diejenigen von Ilse Bing oder Erica Stone. Beide stammen aus Frankfurt am Main, beide wurden zu Chronisten des New Yorker Alltags. Ilse Bing, 1899 geboren und ein knappes Jahrhundert später gestorben, ist nur ein Jahr jünger als die legendäre Berenice Abbott, die einst den alten Eugène Atget in Paris entdeckte und die von ihm begründete Tradition des fotografierenden Flaneurs in die Neue Welt trug.

War Paris die Stadt der Flaneure des 19. Jahrhunderts, so wurde New York die des folgenden Säkulums. Dösende Hafenarbeiter, wehende Fahnen, ein Mann mit Brot unterm Arm: Der schlichte Alltag wurde zum Sinnbild des melting pot, der amerikanischen Gesellschaft schlechthin, in der jeder seines Glückes Schmied sein konnte – und seines Unglücks auch. Im Katalog, der die Ausstellung begleitet und lesenswerte biografische Hinweise zu den vertretenen Fotografen bereithält, gelingt die Kombination frappierend verwandter Aufnahmen am besten.

Paul Strand, einer der Pioniere des neusachlichen Sehens in den USA, hält 1918 die Auslage eines Ladens im noch sehr spanisch-mexikanischen San Antonio fest (verkauft), Abbott zwanzig Jahre später die eines Eisenwarenladens im noch viel später fashionablen Soho (20 000 Euro). Erika Stone lässt 1947 „Bowery Beauties“ Hüte und Pelze vorzeigen (7500 Euro), Arbus in den Sechzigern die todtraurigen „Circus Ballerinas“ (18 000 Euro). Joel Meyerowitz und William Eggleston, nahezu gleichaltrig Ende der dreißiger Jahre und damit in der depression era geboren, staunen immer wieder über die grelle Farbigkeit der Provinz (4 000–15 000 Euro). Glamour kommt nur bei Annie Leibovitz ins Bild, mit der TV-Größe Joan Collins und ihrer Schwester Jackie in einer mit weißem Leder gepolsterten Limousine (10 000 Euro); und doch wirkt der Glanz ordinär. Das egalitäre Moment der US-Gesellschaft besteht darin, dass Geld nur protziger macht, mitnichten aber geschmackvoller.

Alles ist wie im Film, und zwar einem B-Picture. So sehr, dass Cindy Sherman ihre frühen Selbstinszenierungen einfach als „Untitled Film Stills“ bezeichnet hat. Ihr „Still #59“ von 1980 ist mit 180 000 Euro folgerichtig das teuerste Werk der Ausstellung. Bernhard Schulz

Kunsthandel Jörg Maaß, Rankestr. 24, bis 17. Juni, Mo– Fr 10 – 18 Uhr. Der sehr informative Katalog ist unentgeltlich.

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