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Kultur: Im Unendlichen herumtreiben

Luft ist ja ein sehr dankbares Sujet.Unter anderem stellte ja schon Goethe in der schicksalsträchtigen Gleichnisrede seiner "Wahlverwandtschaften" fest, daß "die arme Luftsäure" sich naturgemäß "im Unendlichen herumtreiben muß"!

Luft ist ja ein sehr dankbares Sujet.Unter anderem stellte ja schon Goethe in der schicksalsträchtigen Gleichnisrede seiner "Wahlverwandtschaften" fest, daß "die arme Luftsäure" sich naturgemäß "im Unendlichen herumtreiben muß"!

Und weil das Unendliche eben naturgemäß wiederum sehr viel Raum für Spekulationen bietet, hat das Ensemble des Zan Pollo Theaters unter der Regie von Peter Schöttle besagtes Element - mit einem dringlichen Ausrufezeichen versehen - zum Gegenstand einer kunstspartenübergreifenden Produktion gemacht."Luft!" also hat man sich als Aufeinanderfolge mehr oder weniger zusammenhängender Szenen vorzustellen, in denen Menschen - immer im Takt des an Tasten-, Schlag- wie Blasinstrumenten gleichermaßen versierten Chris Hirson - einander umpusten, aneinander riechen, symbolträchtig flatternde Tücher beziehungsweise schlichte gegenständliche Staubsauger tragen oder auch Federball spielen.Und weil das Unendliche, wie gesagt, sehr weiträumig ist, gesellen sich zu diesen von Ilona Zarypow choreographierten tänzerischen auch verbale "Luft!"-Assoziationen, die das Thema ebenfalls mehr oder weniger subtil verhandeln.Ein sitzender Mann beispielsweise belehrt eine liegende Frau: "Weicht man Luft in Weinessig ein, dann wird sie zum Gepäckträger", worüber die Frau einschläft, um später eine (wunderschöne) Arie zu singen.Ein anderer Mann sinniert am imaginären Pissoir über das nächtliche Firmament als "abstrakt verdichtete Musik" (Beckett); zwei weitere debattieren - in einem eher metaphorischen Beitrag - über Nihilismus und den "Willen zur Macht" (Nietzsche); und Shakespeare ("Der Sturm") wird auch zitiert.

Trotz aller Unerschöpflichkeit soll sich "Luft!" nun in erster Linie im Grotesken herumtreiben und nimmt daher Anleihen beim Absurden.Die Tatsache allerdings, daß sich der Spaß an hektisch überdrehten Armchoreographien und kunstvoll verklemmten Beinverbiegungen gen Finale zusehends erschöpft, entgeht auch dem Regisseur und seinem Ensemble nicht.Im Unendlichsten nämlich siedelt "Luft!" schließlich den Themenkomplex zwischenmenschlicher Brutalität an; und das männliche Schulterklopfen etwa nach geglückter Demütigung sämtlicher Frauen sowie die weibliche Rache in Gestalt über den Männern ausgegossenen Weißweins werden mit naturgetreuem Ernsthaftigkeitsgrad verhandelt."Luft!" ist also einer jener Abende, an denen es in reichlichen sechzig Minuten immer gleich um alles geht; an denen der Kopf fähige Darsteller konstatiert und vielleicht drei Unendlichkeits-Ausrisse ablagert und an denen er sich schnell wieder im Gegenständlichen herumtreibt.

Zan Pollo Theater, Rheinstraße 45, bis 27.Dezember.Fr bis So, jeweils 20 Uhr.

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