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Kultur: Im Wald, da sind die Geister

Gruselig: „Mama“ von Andrés Muschietti.

Von Jörg Wunder

Ein suizidaler Vater flüchtet mit seinen beiden kleinen Töchtern in eine verlassene Waldhütte – jeder, der schon mal einen Horrorfilm gesehen hat, weiß, dass Schlimmes passieren wird. So kommt es auch, denn Jeffrey (Nikolaj Coster-Waldau) will nicht nur seinem eigenen, sondern auch dem Leben seiner Kinder ein Ende setzen. Doch bevor er zur Tat schreitet, materialisiert sich ein geisterhaftes Geschöpf und bricht ihm das Genick.

Fünf Jahre später ist Jeffreys Zwillingsbruder Lucas der einzige, der die Hoffnung nicht aufgegeben hat, die Verschollenen zu finden. Ein Suchtrupp entdeckt die Mädchen, doch das Band zur Zivilisation scheint durchtrennt: Die verwilderten, abgemagerten Kinder schotten sich von der Außenwelt ab. Nach Intervention eines profilierungssüchtigen Psychologen werden sie bei Lucas und seiner Freundin Annabel (Jessica Chastain) untergebracht, einer zutätowierten Rockmusikerin, die über ihre Rolle als Ersatzmutter wenig erbaut ist. Die erhoffte Resozialisierung wird zudem durch jenen eifersüchtigen Geist erschwert, den die Kinder „Mama“ nennen.

Die Darstellung des Übersinnlichen zieht sich als roter Faden durch die Filmgeschichte. Doch wohl noch nie gab es so viele Geister, Dämonen, Vampire, Werwölfe und Zombies wie im Kino der Gegenwart. Wobei das nichtmenschliche Personal eher selten in dem Genre eingesetzt wird, aus dem es ursprünglich stammt: dem Horrorfilm. So ist es fast schon eine Überraschung, wenn der von Fantasyspezialist Guillermo del Toro produzierte „Mama“ wenig mehr erreichen will, als sein Publikum gepflegt in Angst und Schrecken zu versetzen.

Das Kinodebüt des Argentiniers Andrés Muschietti überzeugt als klassischer, die Genrekonventionen geschickt variierender Geisterfilm ganz ohne Kunstblutfontänen. Vor allem beeindruckt er visuell: Unterstützt vom dramatischen Score des Spaniers Fernando Velázquez, gelingen Muschietti mit sorgfältiger Kadrierung und suggestivem Kameraeinsatz intensive Schockmomente, die man zwar oft kommen sieht, ohne sich aber ihrer Wirkung entziehen zu können. Zugunsten der märchenhaften Atmosphäre eines American Gothic verzichtet er auf den Pseudorealismus, der etwa der „Paranormal Activity“-Reihe zugrunde liegt. Ohnehin tut man gut daran, keine allzu hohen Maßstäbe an die Plausibilität des Plots zu legen. Die Protagonisten tun dauernd Dinge, die man im Horrorfilm tunlichst lassen sollte – und deren Folgen genau die sind, die man als Genrefan erwarten darf.Jörg Wunder

In 15 Berliner Kinos, Originalversion

im Cinestar SonyCenter

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