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Kultur: Im Wandel

Museen sind lebendige Organismen: Warum die Fensternischen verzichtbar sind

Als das Pergamonmuseum 1930 eröffnet wurde, entsprach das Gebäude nicht mehr den Planungen, die der früh verstorbene Alfred Messel mehr als zwei Jahrzehnte zuvor verfasst hatte. Stadtbaurat Ludwig Hoffmann machte den wuchtigen Bau leichter und gefälliger. Auch fehlte die Kolonnade, mit der Messel den Eingangshof zum Kupfergraben hin abschließen wollte; nicht aus planerischen Gründen, sondern schlicht aus Geldmangel. Im Inneren hatte es gleichfalls Veränderungen gegeben. Das „Deutsche Museum“ im Nordflügel hatte zwischendurch eine schmucklose, weiß gekalkte Galerie anstelle der historisierenden Einbauten erhalten.

„Museen sind lebende Organismen, die sich veränderten Bedingungen anpassen müssen“, hätten Hoffmann und die Museumsgewaltigen seiner Zeit entgegnen können. Tatsächlich stammt der Satz von Hermann Parzinger, dem heutigen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als der Dachinstitution der Staatlichen Museen. Ohne eine solche Anpassung wäre es nicht zum weißen Saal entlang der Stadtbahntrasse gekommen – einen Saal, den heutige Denkmals- puristen allen Ernstes als „Weltkulturerbe“ außerhalb jeder Veränderung gestellt sehen wollen. Die Museumsleute aber wollen dort, wo einst die Gemälde der deutschen Renaissance hingen, das Islamische Museum ausbreiten und mit ihm dessen Hauptstück, die Fassade des Wüstenschlosses M’schatta, die noch nie in ganzer Schönheit zu sehen war. Das aber hätte die Aufgabe der Fensternischen zur Voraussetzung.

Die Geschichte der Museen und ihrer Bauten ist ein integraler Bestandteil der Überlieferung. Ein Glücksfall, wenn ein Museum das Zeugnis seines eigenen Ursprungs bewahrt hat. Die Musealisierung des Museums allerdings kann kein allgemeingültiges Leitbild darstellen, schon gar nicht, wo das Museum beständigen Veränderungen unterworfen war. Genau das ist auf der Museumsinsel exemplarisch der Fall, und nicht allein, weil sie im Zweiten Weltkrieg aufs Schwerste zerstört wurde. Von diesen Zerstörungen legt etwa das Neue Museum, 65 Jahre lang eine traurige Ruine, beredtes Zeugnis ab – gerade weil es nicht vorgibt, der ursprüngliche Bau zu sein.

Im Pergamonmuseum ist durch den geplanten vierten Flügel zum Wasser hin ein vollständiger Rundgang vorgesehen – bisher hat der Besucherweg tote Enden. Schaustücke werden zu diesem Zweck umgeräumt, erhalten neue Plätze, zeigen sich nach neuesten Standards der Objektpräsentation. Ob die Fensternischen vermauert werden müssen, mag abgewogen werden. Nicht die Stadtbahn-Fensternischen sind das Welterbe, das es zu bewahren gilt, sondern die Gesamtheit des Pergamonmuseums einschließlich der Besonderheit seiner Sammlungen. Die Besonderheit des „lebendigen Organismus’“, von dem Hermann Parzinger spricht. Museal sind die Objekte, nicht die dienenden Fenster aus einer Zeit, die noch nicht über das geeignete Kunstlicht gebot, um die Exponate zum Strahlen zu bringen. Bernhard Schulz

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