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Kultur: Imaginäre Folklore

ALL THAT JAZZ Christian Broecking über das Jazzfest, das am Mittwoch beginnt Als der Leiter der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, kürzlich seinen neuen künstlerischen Jazzfest-Leiter Peter Schulze vorstellte, sprach er von Konsolidierung. Es klang nach Zugeständnissen in verschiedene Richtungen.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking über

das Jazzfest, das am Mittwoch beginnt

Als der Leiter der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, kürzlich seinen neuen künstlerischen Jazzfest-Leiter Peter Schulze vorstellte, sprach er von Konsolidierung. Es klang nach Zugeständnissen in verschiedene Richtungen. Da das Jazzfest kaum noch private Sponsoren hat, sind die Subventionen zum Lebensnerv geworden und wichtiger denn je. Aus diesem Grund redet nun auch die ARD wieder mit, die das Festival als Mitveranstalter trägt und speziell nach der experimentellen Ausrichtung des Vorjahres für ihr zukünftiges Berlin-Engagement mehr Planungssicherheit und Sendetauglichkeit einklagt. Entsprechend hat Sartorius jetzt nicht nur seine Idee von jährlich rotierenden künstlerischen Leitern fallen lassen, die angestrebte Verjüngung in der Leitungsstruktur wurde auf Eis gelegt und verabschiedet hat man sich auch davon, in jedem Festivaljahr einen Schwerpunkt zu setzen, mit dem dem Jazzfest neue Impulse zufliegen sollten.

Das ist schade. Gerade die letzten beiden Jazzfest-Jahrgänge unter Leitung von Nils Landgren (2001) und John Corbett (2002) hatten dem krisengeschüttelten Festival viel Lob und neues Publikum beschert. Doch anders als alle anderen deutschen Jazzfestivals ist das Berliner Jazzfest aufgrund seiner besonderen Geschichte und Finanzierungsstruktur schon immer auch ein Politikum gewesen. Mit Schulze, der über dreißig Jahre als Musikredakteur bei Radio Bremen gearbeitet hat, ist nun ein Programmmacher am Werk, der sowohl die Jazzfest-Struktur wie auch das Innenleben der ARD genauestens kennt. Doch was intern vielleicht stimmen mag, will von außen betrachtet noch nicht so recht passen. Vom Optimismus der Vorjahre ist nichts zu spüren, und das Visionäre sucht man im Programmheft vergeblich.

Nach Skandinavien und Chicago bleiben von dem einst für dieses Jazzfest ins Auge gefassten Japan-Thema gerade einmal vier Konzerte, die nur Randphänomene der japanischen Szene vorstellen. Darunter das Europa-Debüt der Exotica-Band des Multiinstrumentalisten Jun Miyake am Donnerstag im Haus der Festspiele (19.30 Uhr).

Als im Sommer vor zwölf Jahren das Berliner Festival „Jazz Across The Border“ begann, stand „Imaginäre Folklore“ ganz groß im Untertitel, jetzt greift man das Stichwort beim Jazzfest noch mal auf. Damals gehörte der französische Klarinettist Louis Sclavis noch zu den großen Entdeckungen der europäischen Szene, am Freitag ist er nun mit seinem aktuellen Projekt „Napoli’s Walls“ (ECM) im Haus der Festspiele (19.30 Uhr) zu sehen. Auch Hans Reichel mit seinem brüllenden, quietschenden und grummelnden Daxophon ist ein Ereignis, das man vor zehn Jahren beim seinerzeit 25-jährigen Jubiläum der Free Music Production in Berlin groß gefeiert hat. Am Samstag kann man ihn mit Rüdiger Carl, Akkordeon, im Konzertsaal der Universität der Künste in der Bundesallee erleben (15 Uhr).

Angesichts eines solchen Programms streift einen zwar das Gefühl, den Diskurs hier wohl um gut ein Jahrzehnt verpasst zu haben, den musikalischen Genuss sollte das jedoch nicht schmälern. Dass der Souljazzer Dr. L onnie Smith unlängst in New York als bester Jazz-Organist ausgezeichnet wurde, trifft sich angesichts des superpeinlichen JazzFest-Mottos, „Jazz is not dead, it has only moved to Europe“, eigentlich ganz gut – Smith tritt am Donnerstag mit dem Saxofonisten David Fathead Newman im Haus der Festspiele (19.30 Uhr) und am Samstag mit dem Saxofonisten Hank Crawford im Quasimodo auf (22.30 Uhr).

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