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Kultur: Immer mehr Marktmacht in immer weniger Händen

Die Konzentration auf dem Kinomarkt drängt nicht nur Kino-Macher, sondern auch Verleiher anspruchsvoller Filme an den RandReinhard Kleber Fast täglich künden neue Meldungen von der Kino-Front vom immerselben Prozess: von wirtschaftlicher Bündelung, von Fusionen, von immer mehr Marktmacht in immer weniger Händen. Darüber mögen die Großen der Branche jubilieren, die Cineasten versetzt es eher in Sorge - etwa die Gerüchte über eine bevorstehende Elefantenhochzeit zwischen den Kinoketten UFA und CinemaxX oder der Plan der Kinowelt Medien AG, einen TV-Sender aufzubauen.

Die Konzentration auf dem Kinomarkt drängt nicht nur Kino-Macher, sondern auch Verleiher anspruchsvoller Filme an den RandReinhard Kleber

Fast täglich künden neue Meldungen von der Kino-Front vom immerselben Prozess: von wirtschaftlicher Bündelung, von Fusionen, von immer mehr Marktmacht in immer weniger Händen. Darüber mögen die Großen der Branche jubilieren, die Cineasten versetzt es eher in Sorge - etwa die Gerüchte über eine bevorstehende Elefantenhochzeit zwischen den Kinoketten UFA und CinemaxX oder der Plan der Kinowelt Medien AG, einen TV-Sender aufzubauen. Beide Ankündigungen markieren eine neue Stufe der horizontalen und vertikalen Konzentration im deutschen Kinomarkt. Die Botschaft ist klar: Die großen Unternehmen wollen oder müssen angesichts des Kostendrucks und der internationalen Konkurrenz expandieren und schmälern so den verbleibenden Umsatzkuchen für Filmkunsttheater und -verleiher.

Die Kinowelt, die 1984 als Filmkunstverleiher begann, hat seit ihrem Börsengang im Mai 1998 den rasanten Aufstieg zum integrierten Medienkonzern geschafft. Mit einem eigenen Sender zöge sie als erster unabhängiger Anbieter aus der Kinobranche mit Hollywood-Konzernen wie Disney und Universal gleich, die mit Disney Channel und 13th Street eigene Kanäle im deutschen Pay-TV betreiben. Der Kinowelt-Verleih belegte zusammen mit seinem noch recht frischen Filmkunst-Ableger Arthaus im letzten Jahr in Sachen Kinobesuch und -umsatz den fünften Platz hinter den US-Majors UIP, Buena Vista, Warner und Fox. Mit zusammen rund elf Prozent Marktanteil führt Kinowelt/Arthaus klar vor den deutschen Konkurrenten Constantin und Senator, die letztes Jahr an die Börse gingen. Da der Anteil der deutschen Tochterfirmen von US-Konzernen seit Jahren konstant bleibt, werden die Spielräume für die mittleren und kleinen inländischen Verleiher immer geringer. Massenstarts mit 600 Kopien und mehr, wie sie Kinowelt & Co mittlerweile durchaus stemmen (müssen), können sie ohnehin nicht bewältigen.

Angeschlagene Verleihfirmen sind da leichte Beute. Ein Markstein im Konzentrationsprozeß im Verleihermarkt war die Übernahme des renommiertesten deutschen Filmkunstverleihers Pandora durch Kinowelt im September 1998, die seinerzeit die Cineasten aufschreckte. Inwischen hat Kinowelt eine üppige Einkaufstour hinter sich: Mit 25 Prozent stieg man beim einstigen DEFA-Verleiher Progress und mit 75 Prozent beim Tübinger Arsenal Verleih ein - und letzten Herbst übernahmen die agilen Münchner den traditionsreichen Berliner Jugendfilm-Verleih und den Filmverlag der Autoren, deren Labels allerdings fortbestehen sollen.

Die "Marktbereinigung" ist in vollem Gange. Gerade mittelständischen Firmen fällt es angesichts immer höherer Lizenzpreise beim Filmeinkauf auf dem Weltmarkt und steigenden Werbekosten immer schwerer, attraktive Filme zu erwerben und sie gewinnbringend zu vermarkten. Erschwerend kommt hinzu, dass sich vor allem europäische Filmkunst nur mehr schwer an öffentlich-rechtliche Sender verkaufen lässt. Von Quotensorgen getrieben, verzichten diese eher auf schwierige Ware und kaufen ohnehin lieber billiger in großen Paketen ein. Solch attraktive Pakete können aber mittelständische Unternehmen mangels Finanzkraft nicht schnüren.

Jüngstes Opfer dieser Marktzwänge war im Oktober der ambitionierte TiMe-Filmverleih, der zwei Jahre zuvor von München nach Köln gezogen war. Die Muttergesellschaft, die TiMe-Firmengruppe, schloss das Kölner Büro und verlegte den Verleih offiziell zurück nach München. Offenbar ein Rückzug auf Raten: TiMe-Titel sind in den Kinos seitdem nicht angelaufen, konkrete Termine stehen für keinen Film mehr fest.

Weiteres Ungemach droht gerade dem Verleih-Mittelstand von Seiten der Multiplex-Giganten, die auf Blockbuster und Mainstream-Ware angewiesen sind. Das hohe technische Niveau und die obligatorischen Vergnügungsangebote führen zudem dazu, dass traditionelle Kinos - mittelständische Abnehmer auch dieser mittelständischen Verleih-Ware - schließen müssen. Auch die Programmkinos leiden unter den Multiplexen. Die Berliner Filmförderungsanstalt (FFA), die den deutschen Markt genau beobachtet, rechnet 18 Prozent aller Leinwände in Deutschland dem Filmkunstbereich zu. Die Mitgliedskinos der AG Kino und der Filmkunst-Gilde lockten aber schon vor zwei Jahren rund zehn Prozent weniger Besucher anlockten als 1997 - und das bei einem allgemein um vier Prozent gestiegenen Kinobesuch.

Doch es regt sich Widerstand unter den Liebhabern anspruchsvoller Filme. So gründeten sieben Kleinverleiher im Oktober auf dem Filmfestival in Mannheim einen eigenen Verband. Das wirtschaftliche Risiko nehme "besorgniserregend" zu, warnten die tapferen Sieben, die sich als Garanten der Programmvielfalt sehen. Die neue "Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Filmverleiher" hofft nun auf verstärkte Subventionen für die Filmkultur.

Zwei weitere Gegenbewegungen zeichnen sich ab. So gründen Produzenten, die keinen Verleih für ihre Projekte begeistern können, mitunter einfach selber einen. Das Spektrum reicht von Einzelkämpfern wie dem Frankfurter Produzenten Daniel Zuta, der letzten Januar kurzerhand den Verleih ZuG ins Leben rief, um Francesco Rosis Holocaust-Drama "Die Atempause" eine Kinochance zu geben, bis zu mittelständischen Produktionsfirmen, wie der Tatfilm aus Düsseldorf, die sich mit der britischen Partnerfirma Little Bird zusammentat, um gemeinsame Koproduktionen mit dem neugegründeten Verleih Zephir ins Kino zu bringen.

Nach ähnlichem Muster hat die Potsdamer Filmbeteiligungsgesellschaft Lenlinas für die eigenen Projekte kürzlich den Verleih Nighthawks Pictures gegründet. Und die Berliner Firma X-Filme, die mit "Lola rennt" einen Welterfolg erzielte, setzt künftig auch auf einen eigenen Verleih. Einen Sonderfall stellt dagegen der SevenX-Verleih dar, den Seven Pictures, eine Tochterfirma des Spielfilmsenders ProSieben, und Deutschlands größtes Multiplex-Unternehmen Cinemaxx unlängst präsentierten. Er soll künftig deutsche Filme mit "mittlerem Produktionsbudget" herausbringen. Erster Testlauf auf 140 Leinwänden ab 10. Februar: die Komödie "Fußball ist unser Leben".

Als zweiter Trend zeichnet sich ein weiterer Rückzug in die Nischen ab. Nachdem sich schon in den vergangenen Jahren Mini-Verleiher wie Rapid Eye Movies oder Real Fiction auf ausgefallene Fernost-Produktionen oder Dokumentarfilme konzentriert haben, spüren findige Cineasten noch kleinere Marktecken auf. So weitete die auf spanischsprachige Musikprogramme und Konzerte spezialisierte Firma Endirecticom ihre Aktivitäten aufs Verleihgeschäft aus, als sie im Januar 1999 den Dokumentarfilm "Lagrimas Negras" über eine kubanische Son-Musikgruppe verfügbar machte.

Aber wie will man da zumindest ansatzweise flächendeckend präsent sein? Selbst die finanzielle Lage jener Kleinverleiher, die schon mal ein oder zwei Dutzend Kopien einsetzen können, bleibt prekär. Ernst Szebedits, Geschäftsführer des Verleihs Pegasos, der teilweise die Nachfolge von Pandora angetreten hat und auf sorgfältige Zielgruppenarbeit setzt, sagt: "Wir müssen die Filme preisgünstig einkaufen, gut ans Fernsehen verkaufen und intensiv betreuen. Außerdem brauchen auch wir Filmförderung."

Reinhard Kleber

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