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Kultur: Immer noch große Schwester

Sie kann es noch.Wie ein Teenie läßt die vierfache Mutter die Hüfte kreisen.

Sie kann es noch.Wie ein Teenie läßt die vierfache Mutter die Hüfte kreisen.In Stretchhose, Turnschuhen und sportlichem Top windet sie sich auf der Bühne.Wiegt sich nach vorne, dehnt sich ausführlich, klatscht rhythmisch in die Hände.Das volle Programm einer Aerobic-Lehrerin eben - die außerdem singt.Kraftvoll ist ihre Stimme, leider immer etwas zu laut: Die Sängerin röhrt; sanftes Modulieren ist ihre Sache nicht, immer noch nicht.Nena, 38, die große Schwester aller Kinder der "Neue Deutsche Welle"-Generation, ist wieder da.

Sie kennen sie noch.Ein anschwellender Gesang erfüllt die rappelvolle Waldbühne - von Jugendlichen bis Enddreißiger -, wenn Nena ihr Mikrofon in Richtung Ränge streckt: Sie kitzelt Pop-Refrains heraus, die sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben."Leuchtturm"."Irgendwie, irgendwo, irgendwann".Schließlich, na klar: "99 Luftballons".Hat da eine höhere Gewalt das Knöpfchen mit der Aufschrift "Ekstase" gedrückt? Egal, wenn Nena zwischendurch ihren Einsatz verpaßt.Man hätte statt der schönen, sportlichen Frau auch einen singenden Besenstiel auf die Bühne stellen können, ihre Ohrwürmer haben sich verselbständigt.Musikalische Jugendsünden wiederzuentdecken und gemeinsam gut zu finden - das elektrisiert die Menge.Dies weiß auch Hollywoods Unterhaltungsindustrie, die gerade die 80er Jahre wiederbelebt.In "Boogie Nights" und in "Eine Hochzeit zum Verlieben" erklingt Nenas Musik.

Davor, bei einigen Songs ihres neuen Albums "Wenn alles richtig ist, dann stimmt was nich", war die Stimmung in der Waldbühne zurückhaltender.Eingängige Balladen und bisweilen rockigen Pop, auch mal einen Blues, hat Nena im Repertoire.Ihre Reime orientieren sich am Naheliegenden, binden "Zimmer" an "immer", berichten ungekünstelt von Liebe und Tagträumen.

Nena muß sich sputen.Eine Stunde und fünf Minuten habe ihr "der Hartmut" zugebilligt, ruft sie ins Mikrofon.Dann muß sie von der Waldbühne weichen.Sie, die in den 80ern allein 54mal vom Titelblatt der "Bravo" blickte, ist nur Vorgruppe für die Jungs von "Pur" um Hartmut Engler.Aber das ist eine andere Geschichte.

STEFAN SCHIRMER

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