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Kultur: Immer schön ostig

Porträt der Generation Bambini: Olaf Kaisers Dokumentarfilm „Made in GDR“

Hat man Lust, einen Film mit dem Titel „Made in GDR“ zu sehen? Geht es am Ende nur um Bambini-Schokolade und Kahla-Tassen? Der Anfang erinnert schon sehr an DDR-Kult à la „Good bye Lenin“. Ein Mann im All, Juri Gagarin natürlich, und eine Männerstimme im Kinderton, die sagt: „Als Junge wollte ich Kosmonaut werden wie Juri Gagarin.“ Es ist der Regisseur Olaf Kaiser selbst, und man fragt sich, ob etwa alle, die heute vierzig und älter sind und aus dem Osten kommen, Kosmonaut werden wollten? Bald hat man den Eindruck. Ich kannte keinen, wirklich niemanden. Doch Kaiser bekam dann eine Brille, weshalb er nicht Gagarins Nachfolger wurde. Und dass wir Kosmonaut sagten und nicht Astronaut, das ist schon richtig. Oder wollten nur die irgendwie staatsnahen Kinder Kosmonaut werden?

Regisseur Olaf Kaiser bekennt, ein sehr konformes DDR-Kind gewesen zu sein. Das ist interessant, solche gab es also auch. Aber ist das alles auch interessant für solche, die nicht gerade etwas über vierzig und aus dem Osten sind?

Ja, denn Kaisers Dokumentation ist nicht etwa ein verklärter und verträumter Rückblick auf kultige DDR-Produkte, sondern sein Dokumentarfilm ist ein sehenswertes Porträt einer Generation geworden, die als einzige wirklich von sich behaupten kann, „Made in GDR“ zu sein. Kein Mensch hat bisher über diese Generation gesprochen. Auch sie selbst nicht. Dabei sind sie ungemein interessant. Schon hinter der Mauer geboren oder – wie Olaf Kaiser – wenigstens hinter der Mauer aufgewachsen und durch den Mauerfall mit einem veritablen Bruch am Ende ihrer Jugend. Oder schon ein bisschen früher, denn die Angehörigen dieser Generation – das zeigt auch „Made in GDR“ – waren große Ausreiser.

Womit aber soll man ein solches Generationenporträt beginnen? Kaiser hat einen Anfang, und der besitzt den großen Vorzug, sehr prägnant, unbedingt authentisch und vor allem sichtbar zu sein. Zwischen 1974 und 1978 zeigte das Fernsehen der DDR zuletzt einmal im Monat montagnachmittags einen Film, über den Jugendliche hinterher vor der Kamera diskutierten. Das war der „Jugendfilmklub“, und da war Kaiser drin, seit er sechzehn war. Mitgenommen von einem Freund. Nicht alle Filme waren wirklich „Made in GDR“, aber sie hießen „Panzenkreuzer Potemkin“, „Wilde Erdbeeren“ oder „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Dennoch ist das hier keineswegs eine Dokumentation über einen exklusiven DDR-Cineastenklub vor dreißig Jahren, denn die Filme waren nur der Anlass, dass die damals 16- und 17-jährigen über sich selbst nachdachten – ohne Vorabsprache. Und was ging in der DDR schon ohne Vorabsprache?

Kaiser hat die anderen von damals gesucht und einige gefunden. Sein Film porträtiert ihren Werdegang und zeigt Filmklub-Szenen aus den gemeinsamen Tagen. Gefunden unter anderem im Rundfunkarchiv in Potsdam. Manche seiner Mitstreiter erkennt man sofort wieder, andere nicht. Sind sie schon Lebensaufhörer geworden? Es ist auffällig, wie DDR-nah fast alle aufwuchsen, so wie Stefan, dessen Eltern beide jüdische Emigranten waren. Die Mutter war einst mit dem „Kindertransport“ nach London gekommen. Zurück nach Deutschland – in die DDR – kamen sie als Kommunisten, die nie von ihrem Jüdischsein sprachen. Heute bekommt ihr Sohn beinahe Ausschlag, wenn er das Wort DDR nur hört. Nein, „ostdeutsch“ ist keine Identität für den Aachener Computertechniker, der seine Arbeit genau an einem 7. Oktober verlor. Der 7. Oktober, so steht es nun mal im Zahlengedächtnis dieser Generation, ist „der Geburtstag unserer Republik“.

Der Film ist eine Reise ins Reich der bewussten und der unbewussten Anteile der Erinnerung. Auch Marian, ein schmaler, blonder Junge damals, heute ein Riesenmann, war im Filmklub. Er war Schauspieler, Aufnahmeleiter und noch mehr – aber nur bis zum Ende der DDR. Als Olaf Kaiser ihn suchte, fuhr Marian gerade mit dem Fahrrad durch ganz Nord- und Südamerika. Alaska wollte er sehen und etwas ganz weit unten, also nahm er die paar Kilometer in der Mitte auch noch mit. Einer ist dabei, den konnte Kaiser nicht mehr besuchen. Er war vielleicht der Schönste von allen, er spielte die Hauptrolle in dem DEFA-Film „Einer vom Rummel“, Anfang der Achtziger, und ging als Erster in den Westen, 1984. Nur bei ihm denkt man: Besser, er wäre dageblieben. Denn der homosexuelle Dirk gehörte zu den Aids-Opfern, die von der Gefahr, in der sie lebten, noch nichts gewusst hatten.

„Made in GDR“ ist ein interessanter Film über die einzige Generation, auf die diese „Produktbeschreibung“ wirklich zutrifft. Das Einzige, was hier jedoch zunehmend stört, ist dieser etwas unbedarft-naive, pummelig-hausbackene Gestus des Regisseurs. Bisschen ostig? Natürlich sind die meisten, die jung waren im Osten, niemals „ostig“ gewesen. Er schon.

„Made in GDR“, Babylon Mitte, Acud Kino, Casablanca und Tilsiter-Lichtspiele

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