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Kultur: Immer weiter Gas geben

Beady Eye in der Berliner Columbiahalle

Ein bisschen ist es dann doch wie die Geschichte vom Hasen und vom Igel: Egal, um was es geht, Bruder Noel, der Oasis vor zwei Jahren den Rücken kehrte und damit rund 20 Jahre Hickhack beendete, kommt Liam Gallagher immer in die Quere. Zum Beispiel am Freitag als Liam mit seiner neuen Band Beady Eye in der Berliner Columbiahalle spielte. Die zentrale Nachricht aus dem Lager britischen Veteranenrocks war jedoch, dass Noel genau an jenem Tag sein Solodebüt veröffentlichte.

Eine Tatsache, die Liam Gallagher, der die Bühne im Flecktarn-Mantel betritt – es könnte sich um ein Modell seiner Modemarke „Pretty Green“ handeln – für nicht erwähnenswert hält. Das sagt aber nicht besonders viel aus, denn Gallagher hält wenig für erwähnenswert. Ein kleines „You Fuckers“, ein, zwei genuschelte Songtitel, mehr sagt er nicht. Das hat Tradition. Schon Oasis zogen ihren Live-Stiefel meistens mit großer Routine und ohne viel Gerede durch. Der eloquenteste war Liam ohnehin nie. Vor allem aber: Beady Eye, die im Prinzip Oasis ohne Noel sind, spielen sich mit erfreulichem Druck durch die Songs des im Frühjahr erschienenen „Different Gear, Still Speeding“. Gallagher singt kraftvoller als früher, was sich besonders dann bemerkbar macht, wenn das Tempo Raum für Variationen lässt, etwa in „The Beat Goes On“ mit seinem Mellotron oder der Zugabe „World Outside My Room“. Ein schön shuffelnder, kleiner Song, der es unverständlicherweise nicht aufs Album schaffte.

Der Rest der Lieder besteht vor allem aus Stampfrock, der auf den ersten Blick nicht besonders inspirierend wirkt und den man vortrefflich in seine Einzelteile zerlegen kann. Die Gesangslinie eben? Klar, geklaut bei John Lennons „Jealous Guy“. Das Gitarrenriff? Eindeutig „Don’t Bring Me Down“ von ELO. Das Klavier? Irgendein alter Boogie von Jerry Lee Lewis. Es wird rasch klar, dass die Songwriter-Fähigkeiten Gallaghers limitiert sind. Aber dennoch macht das Konzert großen Spaß. Immerhin stehen da vorne keine Newcomer, sondern gestandene Größen des britischen Pop. Etwa Gitarrist Gem Archer, der Mitte der Neunziger mit den Glam-Rockern Heavy Stereo einige der schönsten Singles des Genres veröffentlichte und auch bei Beady Eye noch den tadellos frisierten Lederjacken-Mod gibt. Oder Andy Bell, der vor auch schon wieder 20 Jahren bei der Shoegazing-Legende Ride die Gitarre bediente. Das Publikum in der nicht ganz gefüllten Halle weiß das natürlich und übt sich in begeisterter Heldenverehrung. Die Bierbecher, die in schöner Regelmäßigkeit durch den Raum fliegen, sind keineswegs als Unmutsäußerung zu verstehen, im Gegenteil: So drücken Oasis-Fans seit jeher ihre Freude aus. Jochen Overbeck

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