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Kultur: In den Wirbeln des Lichts

Musikfest: Orchester der Deutschen Oper.

In den illustren Kreis der großen Symphonieorchester, die das Musikfest wesentlich bestreiten, tritt in diesem Jahr zum ersten Mal das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Donald Runnicles. Mit dem Fokus auf Benjamin Britten kommt das Musikfest dem Opernorchester entgegen. Denn Anfang dieses Jahres, in dem die Musikwelt den 100. Geburtstag des britischen Komponisten feiert, ist im Haus an der Bismarckstraße ein formidabler Erfolg mit „Peter Grimes“ gelungen.

In der Philharmonie dürfen die Musiker nun an dieses Ereignis anknüpfen: Mit packender Bildkraft erklingen die berühmten, kühnen Zwischenspiele der Fischertragödie, Brittens erster Oper. Stimmungen wie Dämmerung an der Küste, sonniger Morgen mit Glockenläuten, Gewalt des Sturms, entfesselt über dem Ungeheuer Ozean, werden mit Klangkonzentration ausgeleuchtet. Das Atmosphärische der Musik, die dem Theater gehört, gestaltet Runnicles in dieser Aufführung noch mehr ins Katastrophische, wenn er die Passacaglia den „Four Sea Interludes“ voranstellt: auswegloses Schicksal eines Ungeliebten, des Einzelgängers Peter Grimes, zum Unglück geboren – dazu das Stilmittel der akademischen barocken Form.

Ein „Seestück“ (Marine) befindet sich auch in den Rimbaud-Vertonungen von Britten, und es ereignet sich, dass das Musikfest mit diesen „Illuminations“ eine Sternstunde erhält. Das Streichorchester huldigt einer Tenorstimme, die mit ihrer Aura von Reinheit vom Himmel zu kommen scheint. Sie gehört Klaus Florian Vogt, und wenn sie in ätherische Geigenklänge ihre „Phrase“ bettet, einen „gracieux fils de Pan“ als Idylle besingt, sich in „Wirbeln des Lichts“ zum Höhenflug aufschwingt, einem „corps glorieux“ feinen klanglichen Schmelz verleiht – dann geschehen zugleich Wunder an Präzision. Sie kommen der Dichtung von Arthur Rimbaud zugute mit ihrem symbolistischen Reichtum, der in eine irreale Welt aufbricht. Eine märchenhafte Interpretation.

Nach Winrich Hopps sensiblem Konzept präsentiert das Musikfest Britten im Kontext mit dem späten Schostakowitsch. Hier kommt dem Orchester der Deutschen Oper die letzte Symphonie des russischen Komponisten zu, seine Nr. 15. Das Stück ist ein Resümee des Musikerlebens und viel mehr, weil es Zitate von Rossini bis Wagner mit einer stets eigenen Glasur überzieht. Pizzicato-Kultur, Streichersoli, elegante Zeichnung der Geringstimmigkeit, fabelhaftes Blech machen die Aufführung zu einer Kostbarkeit. Die Musik ist ganz eigenartig, manchmal fast unverschämt, wenn auf Phasen von heiterem Charme das Motiv der Todverkündigung aus der „Walküre“ am Beginn des Finalsatzes antwortet: eine Verblüffung, nicht die einzige.

Runnicles und die Musiker verstehen sich als Einheit. An diesem Abend ist es ein Orchester im Glück. Sybill Mahlke

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