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Kultur: In der Beschleunigungsmaschine

Heute eröffnet die Caspar David Friedrich-Ausstellung in Hamburg: ein Gespräch mit Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner

Schon in Essen war die Friedrich-Ausstellung mit 360 000 Besuchern ein Erfolg. Warum trifft die Romantik heute den Nerv der Zeit? Auch in der Mode, im Interior Design , der jungen Malerei ist sie gefragt.

Caspar David Friedrich zieht immer. Er ist einer der großen deutschen Maler. Seit seiner Wiederentdeckung um 1900 hat er immer Erfolg gehabt. Auf der anderen Seite bewegen wir uns in Sinuskurven: zwischen Aufklärung und Gegenaufklärung, Klassizismus und Romantik. Jetzt hatten wir die Postmoderne, dann kommt wieder die Moderne. Dahinter steckt das Zurück zur Natur, die ökologische Bewegung, auch die Subjektivierung durch zunehmende Medialisierung.

Die Friedrich-Ausstellung haben Sie aus Essen mitgebracht, wo sie zuvor wirkten. Kurz nach Ihrem Wechsel kam die Kunde, dass Essen für 50 Millionen Euro ein neues Museum erhält. Waren Sie da neidisch?

Nein, ich habe gehofft, dass sie das Geld bekommen. Zu meiner Zeit sah es nicht rosig aus. Mir tat es für meinen Nachfolger leid, der mit der Sammelbüchse hätte herumgehen müssen. Nach Hamburg zog es mich als Kunsthistoriker, denn die neun Jahre, bis ich 65 bin, wollte ich nicht mit Bauen verbringen.

In Hamburg werden Sie sich ebenfalls mit anderen Themen als der Kunst beschäftigen müssen. Das Museum hat einen Schuldenberg von 500 000 Euro.

Dennoch fühle ich mich gut aufgehoben, denn man lässt mich nicht allein. Es gibt Kommissionen, Berater, Konsolidierungsgruppen, die seit Jahren daran sitzen. Die Stiftung wird auf Vordermann gebracht und kapitalisiert, so dass wir arbeiten können. Im Nachhinein ist schwer zu analysieren, ob nun die Stiftungsverfassung den Schuldenberg verursacht hat oder ob das ohnehin passiert wäre. Aber erst durch die Stiftung konnte die Kunsthalle an eine Schwestergesellschaft der Stadt verkauft werden, die das Haus nun für 15 Millionen Euro saniert. Sonst wäre das Haus längst geschlossen worden, es regnete herein. Natürlich ist es schmerzlich, wenn einem das Museum nicht mehr gehört, aber wir selbst hätten die Maßnahmen nicht durchführen können.

Könnte man der Kunsthalle kündigen, weil Sie nicht mehr Herr im Hause sind?

Grund und Boden wurden nicht mitverkauft, so dass man uns nicht hinauswerfen kann. Was tatsächlich unsere Rechte sind, weiß ich nicht genau – ob uns das Gleiche passieren kann wie beim Ohnesorg-Theater, bei dem ganze Teile vom neuen Besitzer klammheimlich umgenutzt werden sollten. Der öffentliche Aufschrei konnte dies verhindern.

Das klingt riskant. Schließlich steckt ihr heutiger Besitzer viel Geld in die Immobilie und hat vielleicht ganz andere Pläne.

Diese ganzen Abschreibungs-und Steuermodalitäten sind eine Wissenschaft für sich. Warum der Neubesitzer an uns verdient, wenn er Millionen investiert, ist mir selbst ein Rätsel. Aber es funktioniert. Das Modell ist eine Erfolgsgeschichte mit kleinen Risiken. Vielleicht wird die Stadt ihr Museum irgendwann zurückerwerben, wenn sie wieder bei Kasse ist.

Sie befürworten also, wenn Museen heute selbständiger und risikofreudiger arbeiten?

Der sicherste Hafen ist immer noch, wenn man voll und ganz ein städtischer Betrieb ist. Früher flossen die Gelder allerdings in den städtischen Haushalt zurück, das demotivierte. Heute können wir schneller und kostengünstiger entscheiden. In Hamburg bleibt jedoch das Problem bestehen, dass die Stadt ihre Museen in die Selbständigkeit entlassen hat, um sie vom Hals zu haben: in finanzieller Hinsicht, nicht vom Renommee her. Das rächt sich nun, denn allein durch Selbstständigkeit verdienen die Museen nicht mehr. Das wird meine Aufgabe sein: Stiftungskapital erbetteln.

Außerdem sollen Sie Geld verdienen, mit Großausstellungen à la „MoMA in Berlin“. Ist das die Zukunft der Museen?

Bei einer guten Ausstellung ist es egal, ob sie groß oder klein ist. Die Friedrich-Ausstellung ist mit 70 Bildern und 120 Papierarbeiten normal groß. Groß ist nicht die Ausstellung, sondern der Raum und die finanzielle Ausstattung, die rückverdient werden muss. Viele kleine Ausstellungen kosten viel und bringen wenig, während man für große Ausstellungen Sponsoren gewinnen kann.

Werbung mit Kunst macht sich bezahlt, sonst würden die Unternehmen sich kaum an Ausstellungen beteiligen.

Alle Seiten verdienen dabei: das Museum, der Sponsor und das Publikum. Erst durch den großen Werbeetat kommen die vielen Besucher. Ansonsten wären in meine Essener Cézanne-Ausstellung nicht 380 000, sondern vielleicht nur 50 000 Besucher gekommen. Kooperationen kommen mit Unternehmen zustande, die unansehnliche Produkte vertreten und sich stattdessen lieber mit van Gogh oder Caspar David Friedrich präsentieren.

Eine wachsende Rolle spielt in den Museen die aktuelle Kunst. Selbst in die FriedrichAusstellung ist Videokunst integriert. Ein ganzer Kunsthallen-Flügel, der UngersBau, nennt sich Galerie der Gegenwart. Welche Folgen hat das für Ihre Arbeit?

Die Museen waren einmal Orte der Ewigkeit. Heute wollen die Kuratoren schneller sein als die Galeristen, und die Galeristen sind abgehängt, weil der Kunstmarkt noch schneller ist. Im Grunde gibt es im Moment nur den Kommerz. Aber ich will kein Kulturpessimist sein. Auch die Künstler sitzen in der Beschleunigungsmaschinerie. Da gibt es zwischen der Galerie der Gegenwart, der klassischen Moderne und dem Mittelalter keinen großen Unterschied. Wir müssen von der Gegenwart aus die Vergangenheit sehen, nicht als Rekonstruktion, sondern unseren Standpunkt klären. Das macht es so spannend: dass es nie zu Ende ist, weder mit der alten Kunst noch mit der neuen.

Umso wichtiger ist das Museum als Bewahrungsort. In der letzten Zeit wurde einigen massiv zugesetzt: dem Berliner Brücke-Museum bei der Kirchner-Restitution, in Krefeld mit dem geplanten Monet-Verkauf zur Haussanierung.

Das ist eine moralische Frage. Wenn man einmal anfängt, sind die Schleusen geöffnet. Politiker unterscheiden nicht zwischen mehr oder weniger wertvoll. Als Museum müssen wir prinzipiell dagegen sein, denn wer will das hinterher bewerten? Was die Restitutionen betrifft, haben wir in Hamburg eine Forschungsstelle eingerichtet, arbeiten quasi per Selbstanzeige. Andere Museen warten, bis sie genötigt werden. Leider agieren bei Restitutionen meist Rechtsanwälte, die über Geld nachdenken. Ich finde es skandalös, wenn nach Rückgabe ein Werk sofort versteigert wird. Das Herzblut der Sammlernachfahren steckt selten dahinter.

Das Gespräch führte Nicola Kuhn.

DIE AUSSTELLUNG

Ab heute zeigt die

Hamburger Kunsthalle die bislang umfangreichste Caspar David Friedrich-Ausstellung mit 70 Gemälden und 120 Papierarbeiten

(bis 28.1.). Zuvor zog die Schau 360 000 Besucher ins Essener Folkwang-Museum.

DER KURATOR

Seit 1. Feburar leitet

Hubertus Gaßner (56) die Kunsthalle Hamburg, nachdem er zuvor zwei Jahre lang als

Direktor des Folkwang-Museums tätig war.

Der Kunsthistoriker wirkte davor als Ausstellungsleiter im Münchner Haus der Kunst und

in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle .

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