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Kultur: In der Retro-Falle

Die 80er im Film: „Camille“ von Noémie Lvovsky.

Dass die 80er eine Dekade der Stillosigkeit in Mode und Design waren, hindert die Nachgeborenen nicht, sie als Retro-Schick wieder zu beleben. Bloß dass man jetzt Leggings ohne statt mit Rock trägt, was an der Scheußlichkeit des Kleidungsstücks nichts ändert. Retro ist ja gern auch ironisch, also kann man praktisch tragen, was man will: Schulterpolster, Neonfarben, Stufen-Rüschenröcken, Wadenwärmer und Doc Martens, um nur die ärgsten Verstöße gegen ästhetische Minimalstandards zu nennen. In den Augen anderer Retro-Fetischisten ist das trotzdem immer superhip.

Vielleicht war es deshalb nicht die beste Idee von Noémie Lvovsky, mit ihrem Film „Camille – verliebt nochmal!“ eine Zeitreise ausgerechnet in dieses Jahrzehnt zu unternehmen. Auch wenn tolle Discohits die 80er auf der Tonspur beschwören, bieten Ausstattung und Kostümbild nicht genug Reize, um den eher lahmen Plot aufzuhübschen. Der mischt noch dazu „Die Feuerzangenbowle“ (1944) mit „Good Bye, Lenin!“ (2003), die ihrerseits jedes Tröpfchen Amüsement, das Retro-Zeitreisen und Retro-Ausstattungsorgien hergeben, aus ihren Sujets herausgepresst hatten.

Die 50-jährige Regisseurin, die auch das Drehbuch geschrieben hat, spielt selbst die Hauptrolle: eine Frau, die sich nach durchzechter Silvesternacht in ihrer 25 Jahre zurückliegenden Jugend wiederfindet. Eltern, Freundinnen, Lover, Lehrer, alle sind so alt wie damals, nur sie nicht. Also muss sich Lvovsky in Röckchen und breite Gürtel zwängen, große Augen machen und den Mund spöttisch verziehen, weil sie doch die Einzige ist, die weiß, dass sie aus der Zukunft kommt.

Das ist alles nicht lustig, und leider wirken auch die Lehrer so, als seien sie direkt der „Feuerzangenbowle“ entstiegen. Der einstige Nouvelle-Vague- und Truffaut- Star Jean-Pierre Léaud, dessen Karriere in eben jenen 80ern erlosch, bis Aki Kaurismäki ihn neu entdeckte, spielt einen aus der Zeit gefallenen traurigen Uhrmacher. Aber auch er wirkt bloß betulich im krampfhaften Bemühen um Originalität. Daniela Sannwald

Cinemaxx Potsdamer Platz, Eva, Passage, Toni. OmU im fsk am Oranienplatz

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