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Kultur: In der Wagner-Wiege

Eine HÜGEL–BEGEHUNG von Christine Lemke-Matwey

Alle Jährchen wieder. Alle Jährchen wieder tobt auf dem Grünen Hügel von Bayreuth ein allseits mit Inbrunst und Geifer verfolgter Machtkampf. Der Kampf um die Nachfolge des Festspiel-Patriarchen Wolfgang Wagner, seit 56 Jahren im Amt und von demselben partout nicht zu erlösen. Seit 1973 besitzt der „Alte“ einen Lebenszeitvertrag (eine Morgengabe des bayerischen Staates, als Dank für die Überführung der familieneigenen Immobilien – Festspielhaus und Villa Wahnfried – in eine Stiftung), und an diesem haben sich Politiker wie Revoluzzer stets die Zähne ausgebissen. Zuletzt 2001, als Wolfgang einem Nachfolgeverfahren zustimmte, um Gattin Gudrun zu inthronisieren. Als der Bayreuther Stiftungsrat dann Wolfgangs Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier, kürte, zog sich WW grollend in sein Lebenszeitschneckenhaus zurück – und alles blieb sprichwörtlich „beim Alten“.

Unterdessen schreibt die Wagnerwelt das Jahr 2007, und die Dinge verschärfen sich. Zum einen aus biologischen Gründen. Wolfgang Wagner feiert Ende August seinen 88. Geburtstag, und die Gerüchte über seinen Gesundheits- und Geisteszustand sind, nun ja, altersgerecht. Er leide unter Arthritis, lässt Gudrun erklären; er habe sich stürzend einen Bänderriss zugezogen, wissen Wohlgesonnene. Und die Intriganten plädieren auf Schlaganfall und dafür, dass die Familienmafia ihn für seine raren Auftritte in der Öffentlichkeit mit Aufputschmitteln dope. Ein typisches Diktatorenschicksal?

Fakt ist, dass der Hügelchef am Stock geht und undeutlicher artikuliert denn je. Bitt’schön, feixt Toni Schmid, der zuständige Ministerialdirigent aus dem bayerischen Kultusministerium, wenn Sie unbedingt nachweisen wollen, dass Wolfgang Wagner nicht mehr geschäftsfähig ist – viel Vergnügen! Erhöhter Handlungsbedarf? Wissen’S, naa. Vor Herbst eh ned.

Zum anderen, apropos 2007, gibt Katharina Wagner, 29, Wolfgangs zweite Tochter und erklärte Kronprinzessin, am 25. Juli mit den „Meistersingern“ ihren Einstand als Regisseurin auf dem Grünen Hügel. Das letzte Steinchen in einem dem Kind bereits in die Wagner-Wiege gelegten Karrierepuzzle. Dafür tut die Festspielleitung, tut Katharina derzeit alles. Kaum ein Tag vergeht, an dem sie sich in der Presse nicht zu Wort meldet. Fast sehnt man sich schon nach der guten alten Zeit zurück, als das Festspielhaus – „Hier gilt’s der Kunst!“ – noch eine Festung war.

So vage Katharinas Verlautbarungen über die Zukunft der Festspiele sein mögen: Votierte der Stiftungsrat am Ende für sie, ihr Vater träte im Nu zurück. Und die Bayreuther Festspiele blieben fest in Familienhand. Das freilich wäre auch mit Eva oder mit Nike Wagner, der Nichte Wolfgangs, an der Spitze garantiert. Beide Damen (62) fischen gerade wieder ihre alten Konzepte aus der Schublade. Über die Frage der Eignung lässt sich dennoch nur spekulieren. Ob Nike als Chefin des Weimarer Kunstfestes und Eva mit langjähriger internationaler Opernerfahrung (in der zweiten Reihe) letztlich Zeitgemäßeres, Mutigeres vermögen als die Kleine, deren Zeit des Zorns vielleicht erst noch kommt? Man wünscht es sich. Und ihr. Denn Katharina ist auch in fünf oder zehn Jahren noch jünger als ihre Urgroßmutter Cosima, als diese mit 46 als erste Frau den Hügel stürmte.

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