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Kultur: In Kordhosen

Punk, Maler, Sonderling: Bilder von Billy Childish in der Berliner Galerie Neugerriemschneider

Niemand wundert sich über den Namen. Bloß über den Andrang, den Billy Childish in diesem Sommer auf der Kunstmesse Art Basel verursachte. Da fielen Sammler mit wirren Haaren und hochroten Köpfen über den Stand der Berliner Galerie Neugerriemschneider her und stritten um die Bilder eines Mannes, der so gar nicht zu dem von ihm verursachten Aufruhr passte.

In Kordhosen, mit Hut und einem Schnäuzer wie aus dem Gemälde eines Impressionisten sah Childish zu, wie ein Bild nach dem anderen die Koje verließ. Für 10 000 bis 15 000 Euro die Leinwand – ein Schnäppchen, dachten wohl jene, die sich auf den guten Namen der Galerie verließen. Was genau sie da reservierten, nahmen sie so wenig zur Kenntnis wie den Künstler selbst. Billy Childish alias Charlie Hamper: Punk, Sonderling und ein großes, altes Kind.

40 Bände mit Gedichten, 100 Musikalben und mehrere tausend Gemälde füllen seine Biografie. Ein abgeklärter Profi, könnte man meinen, der als 50-Jähriger nun endlich zu verdienten Ehren kommt. Im Frühjahr waren seine Bilder im ICA in London zu sehen, aktuell zeigt Neugerriemschneier die erste Einzelausstellung in Deutschland. Doch Childish hat auch viel getan, um den Erfolg von sich fernzuhalten. Allein der offene Umgang mit dem Tempo, in dem seine Malerei auf den ungrundierten Leinwänden entsteht, vermag Misstrauen zu säen. Dass er selten mehr als ein paar Stunden für seine Porträts, Winterlandschaften oder Stillleben braucht, gibt der Künstler in Interviews unkokett zu – und setzt sich damit dem Vorurteil der Oberflächlichkeit aus.

Als sei Langsamkeit ein Garant für Qualität. Wer sieht, wie schnell und sicher die satten Farbschlieren über die Bilder laufen, wie absichtlich unpräzise sich Farbfelder zu labilen und dabei hoch emotionalen Motiven zusammenfügen, dem wird schnell klar: Childish setzt nur um, was er fertig im Kopf hat. „Painting is easy, if you know what you want“, lautet sein Credo. Und dass er nach Jahrzehnten als Autodidakt und einem erfolglosen Intermezzo an der St. Martin’s School of Art genau weiß, was ihn bewegt, bezweifelt man in den Räumen der Galerie keinen Moment.

Diesmal sind es Sujets rund um den deutschen Schriftsteller Hans Fallada, der reichlich Drogen nahm und im Streit mit seiner Frau um sich schoss, bevor er 1947 in einem Berliner Lazarett an Herzversagen starb. Ein dramatisches Leben, wie geschaffen für expressive Bilder mit Bezügen zu van Gogh, Ernst Ludwig Kirchner oder Edvard Munch, wie sie im Werk von Childish immer wieder gesehen werden. Was aber wohl an den quasi-historischen Figuren und ihrer altmodischen Kleidung liegt. Die ungefügten Arabesken in seinen Arbeiten und die Verwendung von Rosa und Hellblau lassen am ehesten an den symbolistischen Maler Ferdinand Hodler denken. Noch mehr aber an Zeitgenossen wie Peter Doig, mit dem Childish in den achtziger Jahren befreundet war.

Am besten rezipiert man seine Bilder als absolut gegenwärtig. Gemalt von einem, der sich in sein Thema frisst mit der Unbedingtheit eines Kindes, für das nichts anderes zählt. Nur das Objekt seines Interesses, das sich wie Fallada am Leben abgearbeitet und mit Romanen wie „Der Trinker“ verzweifelte literarische Zeugnisse dieses Kampfes hinterlassen hat. Das Menschliche erkennt Childish in diesem Wüten und setzt seine Erkenntnisse in ebenso wilde, schöne Malerei mit selbstbildhaftem Charakter um. „I made friend with him“, meint er ohne Rücksicht auf die Chronologie der Ereignisse.

Galerie Neugerriemschneider, Linienstr. 155; bis 13.11., Di - Sa 11 - 18 Uhr.

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