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Kultur: Indianisches Filmfest - American Fears of the Thirties - Das verlorene Wochenende

Darf man eigentlich noch "Indianer" sagen? Immerhin wurde nach dem Museum für Deutsche Volkskunde, das jetzt "Museum Europäischer Kulturen" heißt, kürzlich auch das Völkerkundemuseum umgetauft - in "Ethnologisches Museum".

Darf man eigentlich noch "Indianer" sagen? Immerhin wurde nach dem Museum für Deutsche Volkskunde, das jetzt "Museum Europäischer Kulturen" heißt, kürzlich auch das Völkerkundemuseum umgetauft - in "Ethnologisches Museum". Doch da dort jetzt das Indianer-Filmfest stattfindet, gehen wir mal davon aus, erst frühestens ab nächster Woche "Native Americans" oder "Ameriko-Amerikaner" sagen zu müssen, um nicht gegen die Dogmen der Political correctness zu verstoßen. Unter dem Titel "Rauchzeichen und Schmauchspuren" werden bis zum 30.Januar von mittags bis abends rund hundert Streifen unterschiedlichster Länge gezeigt, größtenteils in englischer Originalfassung: Hauptsächlich Dokumentationen, aber auch Spielfilme über die Geschichte und Kultur der nordamerikanischen Ureinwohner, von denen in den letzten drei Dekaden immer mehr selbst zur Kamera griffen - wozu in früheren Zeiten kaum die Gelegenheit bestand. Eine Ausnahme stellte das in "A Weave of Time" dokumentierte Experiment des Ethnologen John Adair dar, der Ende der dreißiger Jahre testete, welche Bildsprache Menschen entwickeln, die mit dem "weißen" Kino nicht vertraut sind (Freitag nächster Woche). Raritäten des ethnographischen Films sind auch "The Kwakiutl of British Columbia" von Franz Boas, der als einer der ersten Wissenschaftler eine Filmkamera benutzte (Sonntag) oder die rund sieben Stunden lange Studie "Netsilik Eskimo" aus den sechziger Jahren (Dienstag). Unerwartete Aspekte beleuchten beispielsweise "Forgotten Warriors" über die Vielzahl indianischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg, "The Long Walk" über den ersten kanadischen Indianer, der sich zu seiner Aids-Erkrankung bekannte (beide Mittwoch) oder "Rocking Warriors" über indianische Einflüsse auf die Rockmusik (nächsten Sonnabend). Ergänzend laufen einige Spielfilme, die deutsche Vorstellungen von den Ureinwohnern zeigen, etwa Hark Bohms "Tschetan, der Indianerjunge" (Sonnabend) oder die Defa-Produktion "Blauvogel" (nächsten Sonnabend). Da es sich um eine Begleitveranstaltung zu der auf fünf Jahre angelegten Ausstellung "Indianer Nordamerikas - vom Mythos zur Moderne" handelt, wird auch das Filmfest seine Fortsetzung erfahren. Einen besonderen Bonbon gibt es in der Dahlemer Lansstraße aber nur diesmal: Michael S. Cullen, sonst eher als Experte für die Geschichte des Reichstags und anderer Kunstwerke bekannt, wird aus seiner Sammlung Filmplakate zu Western der vierziger Jahre präsentieren.

Wenn sich der Durchschnittspuritaner nicht gerade mit neuen Sprachregeln und Denkverboten die Zeit vertreibt, delektiert er sich bekanntlich an Feldzügen gegen alles, was Spaß machen könnte. Das war vor achtzig Jahren der Alkohol, ist momentan der Tabak, demnächst womöglich der Kaffee und stets der Sex. Vier bizarre Beispiele für Aufklärungsfilme, die die Amerikaner vor furchtbaren finsteren Versuchungen warnen sollten, bietet die lange Nacht American Fears of the Thirties. Einer der unfreiwillig komischen Streifen ist beispielsweise "Reefer Madness", der das erschröckliche Schicksal von blutjungen Dingern zeigt, die mit dem "tödlichen Rauschgift" Haschisch (!) in Berührung kommen: Schnurstracks führt der Weg zu Sucht, Unzucht, Verbrechen, Wahnsinn, Tod - zumindest, wenn man inhaliert, andernfalls kann man es ja bekanntlich bis zum US-Präsidenten bringen (Brotfabrik, morgen und Sonnabend).

Durchaus eindringlich schilderte die Folgen übermäßigen Alkoholkonsums dagegen Billy Wilder in Das verlorene Wochenende. Der erste große Erfolg des Österreichers als Hollywood-Regisseur, ausgezeichnet mit den Oscars für den besten Film, die beste Regie und das beste Buch, zeigt in einer Mischung aus Sozialdrama, Film noir und expressionistischem Albdruck das Elend eines trunksüchtigen Autors, fokussiert auf ein einsames Wochenende, an dem sein Leiden seinen Höhepunkt erreicht. 1945 war das wohl noch revolutionärer und beeindruckender als heute, wo manche den Streifen für ein eher schwaches Werk Wilders halten; zu seinen meistzitierten zählt es aber nach wie vor.Filmmuseum Potsdam, heute und Sonnabend

Jan Gympel

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