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Tamara Krcunović und Slaven Došlo in „Vlažnost – Humidity“.

© Berlinale

"Inertia" und "Humidity": Abschied von morgen

Und plötzlich ist er weg: "Inertia" und "Humidity" erzählen Geschichten von Beziehungen, in denen der Ehepartner spurlos verschwindet - und wie die Zurückgelassenen damit umgehen.

In manchen Ehen regiert eine gewisse Abwesenheit voneinander derart durchdringend, dass die Partner die Nähe des anderen kaum mehr bemerken. Erst wenn er ernsthaft verschwindet, ist er wieder da, als plötzlich anwesende Fehlstelle. Nicht vom Tod ist hier die Rede, sondern vom Aufbruch ins Nichtmehrvorhandensein ohne Eheaufkündigung, ohne Abschiedsbrief, ohne ein Wort.

Neue Gegenwart sickert in Miras Leben ein

Zu einem entsprechenden virtuellen Versuchsanordnungsdoppel lädt das Forum mit Filmen aus Israel und Serbien, und stilistisch sowie dramaturgisch verschiedener könnten die Debüts kaum sein. Die kinderlose Mira (Ilanit Ben-Yaakov) lebt in einem Hochhaus in Haifa mit ihrem Mann, einem Hafenlageristen. Eines Morgens erwacht sie schreiend nach schlimmem Traum, der auch – wie Träume mitunter so sind – an etwas mahnen könnte im Leben, woran man sich partout nicht erinnern kann. Ihr Mann ist weg, Nachforschungen auf eigene Faust und durch die Polizei führen zu nichts. Weil aber das Leben weitergeht und denn doch Lebendigkeit abfordert nach Wochen und Monaten, sickert neue Gegenwart in Miras Leben ein, und Zukunft vielleicht auch. Nur was, wenn der Mann plötzlich wieder vor der Tür steht?

Idan Haguel erzählt die zwischen Trance und Traum oszillierende Geschichte von „Inertia“ als kunstvoll abgeriegelten Psychothriller, elegant mit dem filmischem Instrumentarium spielend, und mit einer Hauptdarstellerin, deren klaglose Einsamkeit unter mordskalten Frauen und notgeilen Männern ans Herz geht. Allerdings nicht zu sehr, schließlich ist sie sich selber spannungsfördernd unheimlich.

Nie tiefer allein als am Ende des Juli

In „Vlažnost – Humidity“ von Nikola Ljuca dagegen liegt alles, ungeachtet des parallel konstruierten Grundrätsels, offen zutage. Eine Woche lang verschwindet die coole Mina (Tamara Krcunović) aus dem Leben ihres coolen Baumanagermannes Petar (Milos Timotijević). Im Neureichenmilieu Belgrads, wo partygesprächsweise auf dem Gefühlsmarkt ohnehin kurzerhand alles „billig“ oder gleich „zu verkaufen“ ist, behält man einen solchen Verlustmakel allerdings lieber für sich – auch und gerade im großfamiliären Entfremdungsrahmen. Kein Wunder, dass Petar da in der sommerlich heißen Stadt, in der vorzugsweise überschminkte, leichtbekleidete Frauen das Bild füllen, nächtens nun lieber joggend seine Runden dreht.

So lässt dieser stets ratlos dreinblickende und kommunikationsresistente Petar mitsamt seiner Entourage bloß kalt – in einem kalten, die kapitalistische Kälte kalkuliert anprangernden Setting. Verblüffend darin einzig eine in die Titelsequenz hineingeschnittene Bettszene, an deren spätem Ende zwei Liebende ein zauberhaftes Sonett des serbischen Lyrikers Ivan V. Lalić (1931–1996) rezitieren. „Nie tiefer allein als am Ende des Juli“ beginnt es. Womit für den Film alles gesagt ist oder geträumt.

„Humidity“: 17.2., 22.15 Uhr (Cinemaxx 4), 19.2., 22.15 Uhr (Cubix 9); „Inertia“: 17.2., 16.45 Uhr (Delphi), 19.2., 22 Uhr (Cinemaxx 4), 20.2., 20 Uhr (Colosseum 1)

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