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Kultur: Innen, außen

Juli Zehs „Corpus Delicti“ in der Box des DT Berlin

Mitte des 21. Jahrhunderts: Gesundheit, staatlich verordnet und kontrolliert, sichert einen Zustand vollkommenen Wohlbefindens. Davon erzählt Juli Zeh in den 49 Kapiteln ihres Theaterstücks „Corpus Delicti“, das hochphilosophische Dialoge aus umfangreichen Erläuterungen und Kommentaren herausschält. Die 1974 in Bonn geborene Autorin stellt einen normierten Glückszustand bloß, der jede Individualität gefährdet und bei Widersetzlichkeit gegen die „Methode“ staatlicher Allmacht rücksichtslos zerstört – der Versuch der jungen Biologin Mia Holl, selbstbestimmt zu leben, endet in einer humanistisch verbrämten, ausgetüftelt grausamen Bestrafung.

Für das Theater ist der handlungsarme Text schwer zu packen. Michael Schweighöfer versuchte es mit Studenten der Universität der Künste in der Box des Deutschen Theaters durch souveräne Freiheit gegenüber der Vorlage. Mit der Gleichzeitigkeit dargestellter und erinnerter Vorgänge werden die Wirklichkeitsebenen des Stücks verflochten, die Handelnden stehen im Dialog mit sich selbst, sehen ihren filmischen Abbildern zu, existieren gleichzeitig in Innen- und Außenwelt. Anne Hölzinger stellte eine großflächige Leinwand auf die nackte Bühne. Federkissen, Tisch, Klavier genügen für die Mannigfaltigkeit der Vorgänge, und die Darsteller sind in einem wirbligen Rhythmus von Umkleidungen und Figurenfindungen dabei, übermütig, aber auch ernsthaft, hingegeben an grüblerische Selbstbefragung. Herausragend im staunenswert miteinander verbundenen Ensemble Ninja Stangenberg als Mia Holl – wie entrückt in eine Ferne, die Bindungen sucht und nicht finden kann. Zum Schluss allerdings löst Schweighöfer die Strenge des Stücks auf – es ist Kindergeburtstag, Fasching, Weltraumabenteuer, was auch immer. Auslöschung von Individualität? Ein Spiel, nichts sonst. Christoph Funke

Wieder am 26. Februar, 7. und 14. März.

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