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Kultur: Ins tiefste Innere

Techno-Legende Wolfgang Voigt in der Volksbühne

Irgendwann ist alles eins an diesem merkwürdig schönen Abend im großen Saal der Volksbühne: Die Musik, die der ganz links hinten auf der Bühne sitzende Kölner Techno-Musiker Wolfgang Voigt von seinem Computer abruft; die Visuals, die dazu ununterbrochen auf einer riesigen Leinwand laufen und Blätter, Zweige, Hölzer und Bäume in Bewegung, in mal mehr, mal weniger leuchtenden Farben und den verschiedensten Aggregatzuständen zeigen; und das Publikum, das keinen Mucks macht und das Zusammenspiel von Klang und Bildern auf sich einwirken lässt.

Auffallend ist nicht nur, wie gut das alles funktioniert: wie die Visuals an serielle Kunst gemahnen. Vor allem aber, wie die minimalen, unter anderem auch aus gesampelten Wagner-Schnipseln bestehenden Techno-Sounds (mal mit, mal ohne Beat) den von den Visuals eröffneten kulturellen Assoziationsraum atmosphärisch zum Schwingen bringen: das Romantische, das einem Wald so innewohnt, die Bedrohungen, die von ihm ausgehen, nicht zuletzt das typisch Deutsche. Sondern auffallend ist auch, dass dieser Musik etwas Zeitloses innewohnt und sie zwölf Jahre nach Voigts erstem Gas-Album und zehn Jahre nach seinem letzten Berliner Auftritt nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat. Vier Alben hat Voigt zwischen 1997 und 2000 unter dem zwiespältigen Projektnamen Gas herausgebracht, „Gas“, „Königsforst“, „Zauberberg“ und „Pop“, und natürlich hat er sich mit nicht ganz von ungefähr kommenden Nationalismusvorwürfen herumschlagen müssen. Nachdem er sich anschließend fast nur noch um den Aufbau seines Techno-Labels Kompakt gekümmert hatte, erschien von ihm im vergangenen Jahr die neu gemasterte Version seines Gas-Werks unter dem Titel „Nah und fern“ in einer 4-CD-Box, sozusagen die den Klassikerstatus zusätzlich befördernde Deluxe-Version.

Seitdem tritt Voigt hie und da wieder auf und präsentiert sich in einem schwarzen Cordanzug mit weißem Latz um den Hals und auf der Brust. Seine Musik hat etwas Meditatives und gleichzeitig enorm Aufrüttelndes, und nicht immer nur ein Schelm ist, wer bei den Bildern zuweilen auch an Darmfalten und Darmzotten denkt, mithin also unser tiefstes Inneres. Gerrit Bartels

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