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Leer geräumt. Buchdiebe gibt's auch in der analogen Welt: leere Regale auf der Frankfurter Buchmesse.

© picture-alliance / Frank May

Internet-Piraterie: Kein Eigentum im Netz?

Vergangene Woche veröffentlichte der Tagesspiegel ein Interview mit dem Betreiber eines illegalen E-Book-Portals. Dieser versteht sich mit der Plattform als „neue Art von Verlag“, Eigentum im Netz gibt es für ihn nicht. Ihm widerspricht an dieser Stelle der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis

Massenhaft illegale Buchdateien. Die Longlist-Titel des Deutschen Buchpreises als Datei. Werbung damit, dass sie online zu haben sind. Kostenfrei. Aber selbstverständlich ohne Genehmigung derjenigen, die diese Romane geschrieben, bearbeitet und publiziert haben. Doch das illegale E-Book-Portal arbeitet nicht im Verborgenen und vertickt Bücher quasi unter der Ladentheke. Nein. Die Betreiber haben zwar alles dafür getan, dass Adressen und Namen anonym bleiben, werben aber offensiv für ihr Portal und für den Rechtsbruch. Sie verletzen bewusst massenhaft Urheberrechte. Weil alles das, was den Leser interessiert, irgendwann im Netz landet, sagen sie. Die Grundannahme lautet: Es gibt im Netz kein Eigentum. Es herrschen dort andere Regeln.

Kann es tatsächlich neue, andere Regeln für den Umgang mit Inhalten im Internet geben, die der geltenden Rechtsordnung diametral entgegengesetzt sind? Natürlich sind geltende Regeln fortwährend auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung zu überprüfen. Ist es aber zu akzeptieren, dass der Rechtsbruch als Mittel zur Durchsetzung anderer Regeln salonfähig gemacht wird? Wohl jeder Schriftsteller sagt sich: „Ich habe einen Roman geschrieben, auch weil ich meinen Lebensunterhalt verdienen muss.“ Und fragt sich dann: „Wer darf mich enteignen, indem er diesen Roman abscannt und selbst damit sein Geschäft macht?“

Es mag ja sein, dass es noch keine ausgefeilten Sharing-Portale für Bücher gibt. Darf man deshalb mit Inhalten, die einem definitiv nicht gehören, Geld einnehmen?

Es gibt nicht zweierlei Recht. Eines für materielle Dinge und eines für immaterielle. Was sagt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 in Artikel 27? „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben." Und: "Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.“ Warum sollten Menschenrechte nicht mehr gelten, nur weil es das Internet gibt?

Schockierend ist, dass der Gesetzgeber damit leben kann, in aller Öffentlichkeit nicht ernst genommen zu werden. Denn darauf läuft es doch hinaus, wenn Anbieter illegaler Plattformen das geltende Recht lauthals ignorieren. Schockierend ist, dass die Staatsanwaltschaften nicht von sich aus tätig werden, wenn jemand offensichtlich bewusst gegen Recht verstößt und andere dazu animiert, es ebenfalls zu tun. Das wäre doch das Mindeste.

Autoren, Verleger und Buchhändler fühlen sich vom Gesetzgeber schlicht im Stich gelassen. Auch in dieser Legislaturperiode hat er nichts dazu beigetragen, dieses grundsätzliche Problem anzupacken. Es geht keineswegs nur um abgescannte Buchseiten, es geht um Grundfragen der Gesellschaft und wie wir künftig zu einem gemeinsamen Wertekonsens kommen.

Wer davor die Augen verschließt, setzt den bestehenden gesellschaftlichen Konsens aufs Spiel.

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