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Kulka

© ddp

Interview: Die Menschen sind verrückt nach Erinnerung

Peter Kulka über seine Schlossbauten in Dresden und Potsdam und die Perspektiven für Berlin.

Herr Kulka, Sie rekonstruieren derzeit gleich zwei Schlösser, beide sollen 2013 fertiggestellt werden – was unterscheidet die beiden Schlösser voneinander?



Das Dresdner Schloss war eine Ruine, die von den Denkmalpflegern während der DDR-Zeit mühevoll vor dem Abriss gerettet wurde. Das Potsdamer Schloss wurde gesprengt. Trotzdem können wir auch dort beim Wiederaufbau etliche alte Teile wieder einfügen, vermutlich ähnlich viele wie bei der Frauenkirche in Dresden. Gemeinsam ist den beiden Schlössern, dass sie neue Funktionen erhalten. Dresden als Museum, Potsdam als Sitz des Brandenburgischen Landtags. Übrigens beides auf Grundlage eines demokratischen Beschlusses.

Wie passen das historische Erscheinungsbild und die neue Funktion zusammen?

In Dresden fordern die historischen Außenwände Respekt und die ganze Kreativität der Architekten, hinsichtlich der Erschließung und der Präsentation der Kunstschätze im Inneren. Für den Landtag in Potsdam reicht das Volumen des historischen Schlosses nicht aus, um das Parlament unterzubringen – zumal eines Tages vielleicht noch die Vereinigung der Bundesländer Berlin und Brandenburg ansteht. Daher machen wir aus den ursprünglich drei Geschossen vier. Das bedeutet, dass wir beispielsweise in der Beletage auf Fensterbrüstungen verzichten und stattdessen französische Fenster einbauen. Der Schlosshof wird rund ein Viertel kleiner als bei Knobelsdorff, womit wir auch dort zusätzlichen Raum schaffen. Es wird also nicht das Schloss Friedrichs des Großen wiedererstehen, sondern ein Neubau, aber einer, der einen alten Rahmen für einen neuen Inhalt schafft.

Wäre da eine moderne Hoffassade nicht besser gewesen?

Nein. Würde man den Hof mit einer modernen Fassade versehen, dann hätte die Moderne im Zusammenklang mit dem übrigen Gebäude nur scheitern können. Deshalb haben wir uns entschieden, sämtliche Fassaden zu rekonstruieren, um das Bild des alten Schlosses zurückzugewinnen – übrigens abweichend von der ursprünglichen Ausschreibung. Wir sind uns sicher, damit haben wir der Moderne einen Dienst erwiesen.

Außen alt, innen modern – das ist für Sie kein Widerspruch?

Es galt, den richtigen Übergang zwischen Historischem und Neuem zu finden und beides sinnvoll zu vereinen. Dabei bleibt genügend Platz für eine anspruchsvolle zeitgenössische Architektur – in der sich Alt und Neu durchdringen werden. Anstelle des historischen Festssaals tritt künftig der Plenarsaal, und in die Eckbauten nehmen wir die großen Sitzungssäle auf. Die Potsdamer erhalten ihr altes Schloss zurück und bekommen zusätzlich einen modernen Landtag. Vielleicht hat das sogar etwas Versöhnliches. Das Schloss wird den Un-Ort vor der Nicolaikirche und dem Rathaus endlich wieder in einen erlebbaren städtischen Raum verwandeln.

Woher rührt eigentlich diese deutsche Rekonstruktions-Sehnsucht?

Die Menschen sind verrückt nach solchen Bildern wie in Potsdam und Dresden, weil die Städte so stark zerstört wurden und sich extrem verändert haben. Nach der Wiedervereinigung besinnt man sich wieder mehr auf die eigene Geschichte. Hinzu kommt der Wunsch nach Unverwechselbarkeit in einer immer anonymer werdenden Welt. Man möchte etwas Eigenes zeigen, etwas, das Erinnerung möglich macht.

Bedeutet das, die Moderne ist gescheitert, weil sie diese Identifikation nicht liefert?

Wer meine Häuser kennt, der weiß, dass ich die Moderne liebe. Andererseits erfüllt sie die Bedürfnisse eines Teils der Bürger nich. In einer Demokratie muss auch den Wünschen dieser Menschen Rechnung getragen werden. Gleichwohl gilt für mich, dass Teilrekonstruktionen wie in Potsdam und Dresden erst im Zusammenklang mit guter neuer Architektur sinnvoll sind.

Die Ergebnisse für den Wettbewerb zum Berliner Stadtschloss sind in der Öffentlichkeit umstritten. Warum tut sich die Architektur so schwer?

Trotz des Bundestagsbeschlusses, das Stadtschloss in seiner äußeren Form wieder aufzubauen, hätte ich mir einen freieren Wettbewerb für die Aufgabe in Berlin gewünscht. Es ist kein Geheimnis, dass wir Fachpreisrichter versucht haben, den engen Rahmen der Vorgaben wenigstens etwas weiter zu stecken. Das ist uns leider nicht gelungen – und das spiegelt sich auch im Ergebnis wider.

Franco Stella hat sich dafür entschieden, eine der Schlossfassaden im rationalistischen Stil zu errichten – eine gute Idee?

Hätten wir den engen Rahmen der Vorgaben etwas weiten können, wäre vielleicht der Entwurf von Kuehn Malvezzi nicht nur ein bemerkenswerter Sonderankauf.

Ist die Klage von Hans Kollhoff gegen die Auftragsvergabe durch das Bundesbauministerium gerechtfertigt?

Gerechtfertigt mag sie sein. Generell würde ich mir aber eher eine sachliche Diskussion über Inhalte wünschen, anstelle von juristischen Entscheidungen. Zudem wird sich am grundsätzlichen politischen Entschluss für das Schloss dadurch nichts ändern. Denn der deckt sich mit den Wünschen eines großen Teils der Bevölkerung.

Am Mittwoch wird über die Berufung des Bauministeriums beim Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt, das Urteil wird in vier bis sechs Wochen erwartet. Wie geht es in Berlin weiter?

Dass das Berliner Schloss kommen wird, ist für mich klar. Aber über die Details entscheidet zunächst einmal das Gericht.

Das Gespräch führte Jürgen Tietz.

Der Architekt Peter Kulka (72) kehrte nach dem Mauerfall in seine Heimatstadt Dresden zurück, wo er den Sächsischen Landtag entwarf. Er war Mitglied der Berliner Schloss-Jury.

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