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Thomas Anders (links) hat keinen Kontakt mehr zu seinem Ex-Partner Dieter Bohlen. Uwe Fahrenkrog-Petersen trifft sich gelegentlich noch mit Nena.

© Christian Barz

Interview: Edelrocker trifft Gigolo

Die Achtziger leben: Uwe Fahrenkrog-Petersen und Thomas Anders über Nena, Tiergarten, Frisuren und ihr Dance-Pop-Album "Two".

Ihre Platte klingt genau so, wie man sich eine Zusammenarbeit zwischen Nenas Keyboarder und Modern Talkings Stimme vorstellt. Keine Lust auf Experimente?

UWE FAHRENKROG-PETERSEN: Wir wollten uns nicht verstellen, wir haben diesen Sound ja mal erfunden. Außerdem wohne ich teilweise in L.A., und das ist genau der Sound, den von Jay Z bis P. Diddy dort gerade alle machen. Die Zeit hat uns quasi eingeholt.

Man kann auch Retro sagen...

FAHRENKROG: Als Musikproduzent bin ich wie ein Auftragskiller: Wenn es Araber sind, mache ich arabische Musik, wenn es Russen sind, russische. Klar gibt es die eigene Handschrift, aber ich komme eben von den analogen Synthesizern, ich kann nicht Klavier spielen.

Das haben Sie nicht gelernt?

FAHRENKROG: Nein, ich bin von der Orgel so schnell wie möglich auf Synthies umgestiegen.

Auf Umhängesynthies, weil Sie eigentlich Gitarre spielen wollten...

FAHRENKROG: Natürlich! Man liebt die Macht der Keyboards, die sind vom Sound her gewaltig, aber man beneidet natürlich die Gitarristen. In den 70ern, in denen ich groß geworden bin, waren die Gitarristen die Helden.

Wo haben Sie beide sich kennengelernt?

ANDERS: Wir kennen uns seit den 80ern...

FAHRENKROG: ... ich hab ihn im Fernsehen gesehen! (Gelächter) Konnte vorkommen.

ANDERS: Ja, in den 80ern haben wir uns in den Fernsehstudios die Klinke in die Hand gegeben, man traf und trifft immer die gleichen Leute. Aber zum ShowdoWn kam es im letzten Jahr, als ich Uwe in Frankfurt getroffen habe, und gerade Produzenten und Songschreiber für ein neues Album suchte. Ich habe also einfach gefragt, und wie Uwe so ist, hat er gleich Ja gesagt. Beim nächsten Treffen hatte er schon Layouts, er komponiert auch bei seinen Langzeitflügen nach L.A. und Singapur auf seinem kleinen Keyboard. Ziemlich schnell hatten wir eine gemeinsame Ebene, im Oktober letzten Jahres haben wir mit den Aufnahmen begonnen.

Das ging ja ratzfatz...

FAHRENKROG: Nun ja, manche Künstler lassen sich eben länger Zeit. Aber wir haben den Sound schnell gefunden! Als ob wir schon das zweite oder dritte Album machen würden. Und er singt ja auch sehr schnell, andere Sänger brauchen viel länger...

Wen meinen Sie denn da, wenn man fragen darf?

FAHRENKROG: Nee, Nena nicht, die ist auch schnell! Thomas dagegen langweilt sich nach zwei Stunden, und will zum neuen Lied übergehen.

Sind die neuen Songs eigentlich ein paar beats per minute langsamer als in den 80ern?

FAHRENKROG: Das täuscht, die Musik ist heute im Durchschnitt einfach nur schneller geworden! Das könnte mein Bruder, Professor für Populäre Musik, bestimmt genauer erklären. Auf unserer Platte sind die meisten Songs zwischen 120 und 130 bpm, die einzige Ausnahme ist „Gigolo“, der ist 104.

ANDERS: Langsamere Songs lassen mehr Melodie zu.

FAHRENKROG: Wir haben nicht bewusst auf die Tempi geguckt, und ich tanze auch nicht Samstag Abends am liebsten zu Techno... die orientieren sich eben einfach an den Melodien.

Dann müssen Sie aber auch Speed-Remixe für die Großraumdisse akzeptieren!

ThOMAS ANDERS: Machen wir ja! Ich will auch gar nicht mehr 20 sein.

Haben Sie noch Kontakt zu Nena?

FARHENKROG: Klar, ich habe ihr letzte Woche einen Platin-Cometen überreicht.

Gehen Sie noch Kaffee trinken?

FAHRENRKROG: Natürlich, wir sind nur selten in derselben Stadt. Ich wollte wissen, wie sie unser Projekt findet, sie fand’s super. Nicht dass sie aus allen Wolken fällt, wenn ich sage: ich hab ne Neue...

ANDERS: Was Dunkelhaariges...

Ist Nena denn ehrlich in ihrem Urteil?

ANDERS: Wenn eine ehrlich ist, dann Nena...

FAHRENKROG: ... sehr geradeheraus.

Sie dagegen haben kaum noch freundlichen Kontakt zum Ex, Herr Anders...

ANDERS: Wir haben komplett miteinander abgeschlossen. Wir haben nicht mal unsere Handynummern.

Herr Fahrenkrog, ich fand ihre Trommelmusik zum Film „Igby goes down“ ganz toll. Hatten Sie nie Lust, mehr Filmmusik zu machen?

FAHRENKROG: Ich hab ja noch die Musik für einen großen Zeichentrick-Kinofilm gemacht. Aber hier in Deutschland wird Filmmusik nicht respektiert. Das wird so schlecht bezahlt, das kommt hier nach dem Catering. Damit wird dermaßen respektlos und unverschämt umgegangen. In den USA weiß man um die Bedeutung von Filmmusik, die verleiht den Szenen Emotionen, Tiefe. Mit Musik kann man die Stimmung jeder beliebigen Filmszene komplett verändern.

Sie haben auch mal für N’Sync gearbeitet. Ist Justin Timberlake eigentlich nett?

FAHRENKROG: Nett ist der schon, aber damals, als wir in Berlin aufgenommen haben, war er ein kleiner Junge, seine Mami hat ihn immer abgeholt, und er hatte noch diese Löckchen. Er war zickig und verwöhnt und nicht der beste Sänger der Gruppe. Aber er hat eine tolle Karriere hingelegt, hat sich hochgearbeitet.

In welchem Stadtteil sind Sie hier geboren?

FAHRENKROG: Tiergarten! Ich habe in der Potsdamer Straße gespielt, mit meiner Schreckschusspistole. Damals war dort der Babystrich, es wurde manchmal richtig scharf geschossen, es gab Razzien und so weiter. 1985 bin ich dann nach L.A. gegangen und hab dort eine Heavy Metal-Band gegründet.

Wohnen Sie nicht gern hier?

FAHRENRKOG: Doch, es ist meine Heimat. Aber man muss ja auch weggehen, um nach Hause kommen zu können.

Eine sehr metropolitane Einstellung. Sie, Herr Anders, wohnen in Koblenz.

ANDERS: Das ist doch mal ein Kontrast. Ich hatte lange Jahre eine Wohnung in Berlin, in L.A. auch, aber ich komme immer nach Koblenz zurück. Ich brauche den Abstand. Ich mag es, zu Hause aufzutanken und mit Familie tickt man ohnehin anders.

Hat das Vatersein Sie verändert?

ANDERS: Ja, ich bin nicht mehr so viel unterwegs. Und zum Glück ist meine Frau zu Hause.

Aber vermutlich verpassen Sie trotzdem eine Menge Schulaufführungen Ihres neunjährigen Sohns, oder?

ANDERS: Er nimmt es mit Fassung, vielleicht beschwert er sich später mal. Aber in der heutigen Zeit gibt es ja bessere Kommunikationsmittel...

In Sachen Tonträger-Vertrieb und -Verkauf hat sich das Musikbusiness ganz schön verändert.

FAHRENKROG: Ja, früher war das eine Möglichkeit, Geld zu verdienen.

ANDERS: Heute verdient man nur durch die Shows. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen. Ich mache 70 Shows im Jahr.

Aber gemeinsam treten Sie beide im Herbst zum ersten Mal auf?

FAHRENKROG: Für November ist unsere erste Tour geplant. Wir werden unsere eigenen Songs spielen, und haben auch ein paar neu arrangierte Nena- und Modern Talking-Songs in unserem Sound.

Wie wird das Publikum aussehen?

ANDERS: Weiblich, sexy... (Gelächter). Ich glaube, auf jeden Fall ist unser Klientel hauptsächlich weiblich, zwischen Ende 20 und Mitte 50. Ich glaube nicht, dass die Elfjährigen in der ersten Reihe stehen.

In einem Ihrer neuen Songs geht es um Tanzen, No more tears on the dancefloor. Gehen Sie selbst noch gern tanzen?

FAHRENKROG: Meine Freundinnen sind meistens ein bisschen jünger als ich, die gehen noch ganz gern tanzen...

Und tanzen Sie mit?

FAHRENKROG: Nicht so viel. Ich lasse lieber tanzen.

ANDERS: Meine Frau will mich auch immer überreden. Aber da muss ich in extrem ausgelassener Stimmung sein. Die meisten Musiker mögen ja nicht tanzen...

...oder können nicht, wie Grönemeyer.

FAHRENKROG: Der tanzt doch schön! Also ich hab aufgehört, seitdem ich Justin Timberlake gesehen hab.

ANDERS: Ich glaube, bei bekannten Menschen ist es so, dass alle aufhören zu tanzen und nur noch gucken, wenn die auf die Tanzfläche gehen. Und das nervt ohne Ende.

Wie wichtig ist Mode für Sie beide?

FAHRENKROG: Für mich haben Rockmusik und Fashion immer zusammengehört. In den 70ern sahen alle tierisch geil aus. Das ist in den 80ern bei uns beiden ein bisschen ausgeufert ...

ANDERS: Bei Millionen von Menschen!

Ja, Sie hatten lustige Frisuren...

ANDERS: Na ja, das ist verbrieft: Eine Menge Männer haben damals zum Friseur gesagt, sie möchten die Haare wie Thomas Anders haben.

Und dann haben die Extensions bekommen.

ANDERS: Dann haben die ne Dauerwelle bekommen! Mode und Musik kann man nicht voneinander trennen, beides ist ein Ausdrucksmittel. Ich möchte positiv wirken, wenn ich jemandem begegne, und weil ich nicht sofort singen oder jemandem eine Kassette in die Hand drücken kann, ist der erste Eindruck visuell. Oft wird die Mode ja unwichtig, sobald man ins Gespräch kommt. Aber sie gehört zu unserem Job, und es macht mir Spaß. Ich versuche allerdings, die Farbkombinationen nicht psychedelisch abzustimmen.

Schade.
FAHRENKROG: Mit Mode kann man Konventionen brechen. Ich war lange in Japan, wo Popkultur als Ausdruck der Persönlichkeit unheimlich wichtig ist, weil man sich sonst sehr ähnlich stylt. So habe ich das auch schon immer gesehen. Als Ausdruck der Individualität gegen den Konformismus.

Sprechen Sie sich manchmal mit Ihren Freundinnen wegen des Outfits ab, so wie Posh Spice und Becks? Also grüne Krawatte zu ihrem grünen Kleid?

ANDERS: Nee.

FAHRENKROG: Ich hab schon mal drüber nachgedacht, aber es dann doch nicht gemacht. Aber wenn sie ein Abendkleid trägt, dann würde ich natürlich nicht in Jeans kommen.

ANDERS: Es gab doch in den 70ern dieses Duo Adam und Eve, die haben sich immer in der Negativversion des anderen angezogen. Das geht GAR nicht!

FAHRENKROG: Bei mir beschwert sich höchstens meine Freundin darüber, dass ich overdressed sei. Ich bin es eben gewohnt, wie ein Popstar aus dem Haus zu gehen.

Und Sie? Dunkle Haare, weißes T-Shirt, blonde Haare, schwarzes Shirt, wie Baccara! Sie beide sprechen sich schon ab, oder?

FAHRENKROG: Überhaupt nicht!

ANDERS: Er ist ja eher der Edelrocker, ich bin mehr der gedämpfte Gigolo.

Haben Sie denn weiße Slipper, Herr Anders?

ANDERS: Nein. Weiße Schuhe, außer Sportschuhe, das geht GAR nicht. Ich kann nicht verstehen, wieso Leute heute noch so aussehen wollen wie in den 80ern.

Das sind die Jungen, die das Elend nicht miterlebt haben!

ANDERS: Genau. Und wenn heute Leute zu mir sagen, dass ich mir die Haare wieder lang wachsen lassen soll, dann krieg ich Schnappatmung. Nie wieder!

„Two“ von Anders/Fahrenkrog erscheint am 10. Juni bei Universal. Das Gespräch führte Jenni Zylka.

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