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Interview: Innenwelten

Zeruya Shalev über ihre Heldin im Kino

Frau Shalev, die Heldin Ihres Romans auf der Leinwand – war sie Ihnen vertraut?

Ich habe den Film kaum mit meinem Roman abgeglichen, sondern mit einer gewissen Unschuld gesehen. Meine eigene Vision von Jara habe ich mir erhalten, sie ist anders als die von Maria Schrader, aber auch diese mag ich sehr.

Ihr Roman lebt von Jaras inneren Monologen, die ihren Charakter erschließen. Wird der Film dieser Vielschichtigkeit gerecht?

Kein Film könnte all diese Schichten erfassen. Maria ist eine schöne, kraftvolle Interpretation einiger Schichten gelungen. Im Übrigen habe ich nicht das Gefühl, dass mir etwas weggenommen wurde, es ist ja etwas dazugekommen. Das Buch existiert weiter, man kann es lesen. Andere Szenen hat der Film eingefügt, zum Beispiel, wie Jaras Vater bei seinem alten Freund Arie die Schuhe seiner Tochter entdeckt und beschließt, sie zu übersehen. Als ich diese Szene das erste Mal sah, war ich mir nicht sicher, ob ich sie geschrieben hatte oder ob sie von Maria stammte.

Jaras Innenwelt ist bestimmt durch die Liebe: Da ist Joni, ihr Mann, und da ist der ältere Arie, zu dem es sie drängt. Gibt es noch eine dritte Art zu lieben?

Dass man etwas will, was man nicht haben kann, oder gelangweilt ist von dem, was man hat, sind zwei Extremformen. Vielleicht ist keine davon Liebe. In „Liebesleben“ geht es weniger um die Liebe als um die Sehnsucht danach. Um die zu befriedigen, muss sich Jara durch ihre Vergangenheit und die ihrer Eltern durcharbeiten.

Kommt man in der Liebe nie von seinen Eltern los?

Ich glaube, man findet im Angesicht des Partners immer die Eltern wieder, das ist eine unvermeidliche Wiederholung. In meinen Romanen habe ich diese Verbindung zugespitzt, im wirklichen Leben merkt man oft erst Jahre später, warum man sich zu jemandem hingezogen fühlte.

Am Ende Ihrer Bücher entlassen Sie Ihre Heldinnen gerne ins Ungewisse.

Am Anfang eines Buchs weiß ich nie exakt, was meinen Figuren geschehen wird. Ich weiß nur, dass ich sie erst verabschieden kann, wenn ich das Gefühl habe, dass sie es alleine schaffen können. Ich habe Jara viel leiden lassen. Ich verlasse sie erst, als sie die Reife erworben hat, um eines Tages Liebe finden zu können.

Interview: Verena Friederike Hasel

ZERUYA SHALEV, geb. 1959, ist eine der erfolgreichsten israelischen Schriftstellerinnen. Sie schrieb u.a. „Liebesleben“ (2000), „Mann und Frau“ (2001) und „Späte Familie“ (2005)

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