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Libeskind Glashof Einweihung  Juedisches Museum

© Günter Peters

Interview: Schlank bleiben

„Geschichte kennt keine Rücklauftaste“: Architekt Daniel Libeskind, 1946 in Polen geboren, wuchs in Israel und New York auf, wo er heute wieder lebt. Sein neuer Glashof des Jüdischen Museums Berlin ist ab Samstag geöffnet.

Herr Libeskind, verglichen mit Ihren anderen Projekten ist der Glashof des Jüdischen Museums, der ab Samstag zugänglich ist, nur ein kleines. Wie wichtig war es Ihnen?

Nichts ist wirklich klein. Mein Glashof ist nicht nur eine gläserne Hofüberdachung, sondern ein Gebäude mit eigener Atmosphäre. Auch das Jüdische Museum ist kein statisches Gebäude, es wächst und verändert sich. Was beide verbindet, ist die jüdische Tradition. Ich habe die Metapher des Laubhüttenfests nicht als religiöse Zeremonie gewählt, sondern weil es eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft darstellt, eine Reise.

Der Glasanbau an das barocke Kollegienhaus stand unter scharfer Beobachtung der Denkmalpflege. Ist es in Deutschland schwieriger zu bauen als in den USA?

Amerika hat nur eine kurze Geschichte, es gibt nicht so viele alte Gebäude. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Menschen in Europa viel sensibler sind, was den Umgang mit der Geschichte angeht.

In Berlin wird viel über den Umgang mit historischen Bauten diskutiert: über David Chipperfields Umbau des Neuen Museums oder den Wiederaufbau des Schlosses. Was halten Sie von diesen Diskussionen?

Menschen können ein Gefühl für Geschichte auch verlieren, wenn sie sich wie Fundamentalisten an eine Vergangenheit klammern. Sie geben dann vor, dass Geschichte stehengeblieben ist. Aber Geschichte bleibt niemals stehen. Man kann keine Rücklauftaste drücken, was architektonische Entwicklung angeht. Wenn man das ignoriert, baut man nur eine Folly – und es gibt viele Follies in Berlin.

Sie unterrichten ab dem Wintersemester an der Universität Lüneburg. Was halten Sie von deutscher Architektenausbildung?

Deutsche Architekten sind sehr talentiert. Es sind die Behörden, die sie an überholte Auffassungen festketten. In Behörden herrschen oft die Vorstellungen, die die Menschen dort während ihrer eigenen Ausbildung entwickelt haben. Aber die Welt ist nicht stehengeblieben.

In den USA bremsen eher kommerzielle Interessen. Ihr Masterplan für Ground Zero hat im Verlauf der Planung herbe Veränderungen durch den Investor hinnehmen müssen. Wie viel Libeskind ist noch übrig?

Selbst für New Yorker ist es schwierig, die komplizierten Bauentwicklungen zu verfolgen. Es gibt so viele Kontroversen, jeden Tag steht etwas anderes in der Zeitung. Angesichts der Emotionen, die das Thema erweckt, ist das auch nicht verwunderlich. Ich bin sicher, wenn 2009 das Memorial sichtbar wird und 2010 der Freedom Tower seine Höhe erreicht hat, wird Ground Zero wieder etwas anderes bedeuten als nur der Ort der Tragödie. Es wird wieder neues Leben dort geben, nicht nur ökonomisch gesehen.

Gerade der Entwurf zum Freedom Tower hat Veränderungen hinter sich. Ist jetzt endgültig klar, wie er aussehen wird?

Wichtig ist, dass es ein schlanker, eleganter Turm bleibt, nicht so wuchtig wie es die Türme des World Trade Centers waren. Die symbolische Höhe von 1776 Fuß ist nicht die wirkliche Bauhöhe, der Turm selbst ist nur 72 Stockwerke hoch, aus Sicherheitsgründen. Darüber gibt es Plattformen für das Publikum, auf der Höhe der alten Türme. Man soll erfahren, was der Ort historisch bedeutet.

– Das Gespräch führte Christina Tilmann.

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