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Auf Plüsch gebettet. Thomas Olbricht in einem Sessel der Campana-Brüder.

© David v. Becker

Interview: Thomas Olbricht: Großes rotes Ich

Thomas Olbricht eröffnet in Berlin einen Schauraum für seine Kunst. Ein Gespräch mit dem Sammler.

Herr Olbricht, am Eingang Ihrer Sammlung befindet sich ein gastronomischer Bereich. Hoffen Sie auf zusätzliche Einnahmen oder auf ein neues Publikum für die Kunst?

Thomas Olbricht: Ich möchte möglichst viele Menschen erreichen, nicht bloß Kunstkenner. Das ist das Ziel des neuen Hauses. Wenn Touristen vorbeikommen, sollen sie hereinkommen und können natürlich beim Bier bleiben. Aber sie können auch zur Sammlung durchgehen.

Dann müssen sie aber erst einmal Eintritt zahlen…

Hier gibt's ja auch viel zu sehen. Die Kunst-Werke Berlin sind nebenan, und wir nehmen nicht mehr oder weniger Eintritt.

Sie sind nicht der erste Sammler mit einem privaten Schauraum in Berlin. Wie positionieren Sie sich mit Blick auf die Konkurrenz?

Überhaupt nicht, weshalb denn? Jeder Sammler hat sein Spektrum und macht sich eigene Gedanken. Das ist doch das Schöne, dass wir uns ergänzen und nicht das konforme Bild einer kanonischen Kunst abgeben. Ich habe eine Position und muss mich nicht positionieren.

Wenn Sie also nach Berlin kommen und wissen, dass es hier schon viele Sammler gibt, dann…

… ist das für mich nicht Konkurrenz. Ich fühle mich hier wohl und würde sogar, wenn die anderen mitmachen, eine Art Rundreise durch Sammlerräume anbieten.

Sie hätten das Haus für Ihre Sammlung ja auch bauen können, wo sie (noch) leben. Ist das eine Entscheidung gegen Essen?

Es geht doch nicht um Städte, sondern um Kunst. Um Orte, wo ich meine Sammlung gern zeigen möchte. Und ich sehe es geradezu als Verpflichtung, sie - im positiven Sinn - zur Schau zu stellen. Sie dorthin zu bringen, wo ich den größten Zuspruch vermute. Und das ist hier.

Wann haben Sie sich für Berlin entschieden?

Das war ein langer Prozess. Überlegungen gab es mindestens seit fünf Jahren. Die Verbindung kam durch Klaus Biesenbach zustande, der damals schon am P.S.1 in New York und in Berlin künstlerischer Leiter der Kunst-Werke war. Ich habe für manche Ausstellungen Arbeiten ausgeliehen. Und dann war das Grundstück auf der Auguststraße frei.

Das private Museum erfreut sich großer Beliebtheit. Setzen sich Sammler damit auch ein Denkmal?

Ich sehe das hier nicht als Museum. Es heißt ja Collectors Room: ein Kunstlabor. Ich präsentiere viele Felder meines Sammelns, das kann ich in einem öffentlichen Museum nicht, wo ich niemals in die Entscheidungsebene eingreifen wollte und würde. In meinem Haus dagegen kann ich tun und lassen, was ich will.

Hat Kunst für Sie denselben Wert wie die Sammlung von Feuerwehr-Spielzeugautos, die man in der Lounge hinter Glas sieht?

Absolut. Für mich hat es ideell dieselbe Bedeutung. Monetär ist es natürlich ein Riesenunterschied.

Sie selbst ziehen nicht um?

Das ist noch nicht entschieden. Aber ich muss ja auch nicht jeden Tag anwesend sein. Es geht mir primär um die Kunst und das Sammeln, nicht um mich.

Dabei gibt es im Haus mehrere Wohnungen. Entgegen Ihrer ursprünglichen Absicht: Sie wollten den gesamten Neubau der Kunst widmen, der Senat hat Ihnen jedoch Vorgaben gemacht.

Ich hatte ursprünglich diesen Gedanken und bin nun allen Gremien, die mich daran gehindert haben, mehr als dankbar. Es war eine wahnwitzige Idee. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung davon, wie groß das Gebäude wirklich ist. Der Raum, der jetzt zur Verfügung steht, reicht völlig aus.

Im oberen Geschoss haben Sie eine Wunderkammer mit historischem Kunsthandwerk einrichten lassen - wertvolle Dinge aus vergangenen Jahrhunderten, anatomische Modelle neben Käfern oder winzigen Totenköpfen aus Silber. Was fasziniert sie an dieser Kunst?

Dieser Blick in die Vergangenheit hat wahrscheinlich auch mit meinem zunehmenden Lebensalter zu tun. Es begann vor ungefähr zehn Jahren auf der Maastrichter Kunst- und Antiquitätenmesse TEFAF, mit mehreren Memento-mori-Objekten von Georg Laue, der seinen Stand wie eine Wunderkammer inszeniert hatte. Von da ab war ich infiziert von diesen wundersamen alten, auch kunsthandwerklich nicht wiederholbaren Dingen. Und so wie das bei Sammlern ist, gesellte sich einiges hinzu. Wunderkammern kennt man aus der Zeit der Renaissance und des Barock, sie lieferten die Grundidee für das spätere Museum. Diesen Gedanken habe ich ausgebaut, mit kleinen Schauobjekten wie dieser Frau aus Elfenbein von Stephan Zick von ca. 1720, deren Körper man öffnen kann.

Spiegelt sich diese morbide Seite auch in der zeitgenössischen Kunst, die Sie sammeln?

Das muss jeder Besucher selbst erfahren. Aber natürlich zeigt die Sammlung die großen Themen wie Liebe oder Tod auf, die über alle Jahrhunderte hinweg in der Kunst immer wieder umgesetzt wurden. Das gilt für die Malerei wie für die Videos, Skulpturen und Fotografien meiner Sammlung. Akzente setzen die figurative Kunst und Arbeiten von Künstlerinnen. Das war nicht so angelegt, sondern hat sich ergeben.

Sie kuratieren die Eröffnungsausstellung nicht selbst: Ist das eine programmatische Entscheidung, um als Sammler Distanz zu gewinnen?

Das hat vor allem einen privaten historischen Hintergrund. Wolfgang Schoppmann ist ein langjähriger Freund und hat mich an manche Kunst herangeführt. Teamwork war mir deshalb wichtig.

Sie wollen sich zurücknehmen, schreiben aber an die Tür ein großes, rotes "me".

Alle großen Kollektionen in Berlin nutzen ihren Namen. Wir nennen uns nicht Olbricht Collection, sondern ‚me', und jeder spricht nun von Selbstdarstellung. Dabei ist es die Abkürzung von moving energies. Vor Jahren waren Teile meiner Sammlung im Folkwang Museum zu sehen – unter demselben Titel. Darum geht es mir: Ich habe meine Energie des Kunstsammelns nach Berlin gebracht. Die nun wahrgenommene Doppeldeutigkeit ist ja nur ein semantisches Problem. Ich muss es nicht allen recht machen und kann es nicht. Ich gehe weit über das hinaus, was ich mir betriebswirtschaftlich erlauben dürfte. Und wenn ich schon so spinnert bin, dann sollte man sich darüber freuen. Das hier spricht mir aus dem Herzen, und das Herz kann nicht kalkulieren. Nur schlagen.

Interview: Christiane Meixner

COLLECTORS ROOM

Der Arzt und Chemiker Thomas Olbricht stammt aush Essen, er sammelt seit 25 Jahren Kunst. Heute besitzt der 62-Jährige eine der umfangreichsten Kollektionen Europas.

Den größten Teil seiner Sammlung bilden Werke zeitgenössischer Kunst. Die Sammlung umfasst Werke des 16. bis 18. Jahrhunderts, der klassischen Moderne, Objekte des Jugendstil, vor allem aber aktuelle Malerei; darunter von Künstlern wie Eric Fischl, Franz Gertsch, Peter Doig, Cindy Sherman oder Marlene Dumas, die Olbricht mit Newcomern wie Corinne von Lebusa, Tomoko Nagai oder Rachel Goodyear kombiniert. Die Mehrzahl der Bilder befassen sich mit dem menschlichen Körper.

Am 1. Mai eröffnet Olbricht um 12 Uhr in der Auguststraße 68 seinen „me Collectors Room Berlin“. Dort wird als permanente Schau die „Wunderkammer Olbricht“ zu sehen sein und bis zum 12. September die erste Ausstellung „Passion Fruits“.

Ab dem 2. Mai hat die Sammlung dienstags bis sonntags von 12 -18 Uhr geöffnet. Der Einritt kostet 6/4 Euro (www.me-berlin.com). Es gibt ein Restaurant und eine Lounge.

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